Interkulturelle Kommunikation in internationalen Jugendaustauschmaßnahmen unter besonderer Berücksichtigung von Hauptschülern

Der internationale Jugendaustausch ist wohl eine der geeignetsten Möglichkeiten für junge Menschen, einen Einblick in die gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten anderer Länder zu bekommen. Er kann Jugendlichen in unserer immer komplexer werdenden Welt eine bessere Orientierung bieten und den „Blick über den sogenannten Tellerrand“ ermöglichen. Jedoch erreicht internationaler Jugendaustausch leider nur eine sehr kleine Gruppe der teilnahmeberechtigten Jugendlichen. Eine IJAB-Basiserhebung von 1984 belegt, daß sich maximal 2 Prozent aller deutschen Jugendlichen an Formen von internationaler Jugendarbeit, zu der auch der internationale Jugendaustausch zählt, beteiligen. Die Erfahrung von Trägern und BetreuerInnen solcher Jugendaustauschmaßnahmen und auch die Literatur zeigt, daß solche Programmangebote zum überwiegenden Teil von denjenigen Jugendlichen wahrgenommen werden, die bereits eine positive Grundeinstellung zu dem betreffenden Zielland und zumindest ein (häufig idealisiertes) Verständnis von „Internationalität“ haben, oder aus begegnungs- und bildungsorientierten Familien stammen. Meist haben die TeilnehmerInnen bereits Auslandserfahrungen und können sich auf Englisch verständigen. Hauptschüler, Auszubildende, Arbeitslose oder gar Jugendliche aus der rechtsradikalen Szene nehmen eher selten oder gar nicht an solchen Angeboten teil. Im Hinblick auf die ständig voranschreitende Europäisierung aller Lebensbereiche und die Zunahme von rechtsextremer Gewalt – vorwiegend jugendlicher Gruppen - gegenüber Minderheiten und Fremden stellt sich in Forschung und Praxis die Frage, welche Ursachen für diese geringe Beteiligung verantwortlich sind. Ist es die Hauptschule an sich mit ihren Lernplänen, bzw. die familiäre Sozialisation des Hauptschülers? Oder ist es in diesem Bereich vielmehr die Verzahnung von familiärer Sozialisation, Hauptschule und den angebotenen Maßnahmen im Bereich internationalen Jugendaustauschs, die dazu beitragen, daß solche Angebote nur in geringer Zahl von Hauptschülern in Anspruch genommen werden? Ziel dieser Untersuchung ist es, Konzepte zu entwickeln, welche dazu beitragen, daß der Kreis der teilnehmenden Jugendlichen sich vergrößert und auf alle Gesellschafts- und Bildungsschichten ausweitet. Denn die Erfahrungen eines Jugendaustausches dürfen nicht nur einer intellektuellen und wirtschaftlichen Elite vorbehalten sein, sondern sollen vielmehr dem gesamten Spektrum der Bevölkerung zugänglich gemacht werden, denn internationale Jugendbegegnungen können durch gezieltes pädagogisches Handeln für das friedliche Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft förderlich sein. Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur Bewertung und Evaluierung von Jugendaustauschmaßnahmen leisten. Die Untersuchung soll helfen, Anregungen für die eigene Arbeit zu finden, Konzepte und Durchführungsmethoden bei Vor- und Nachbereitungsseminaren selbstkritisch zu hinterfragen oder einfach Orientierung und Anregungen für eine geplante Austauschmaßnahme mit der Zielgruppe Hauptschüler zu geben. Die Studie gliedert sich in einen fachtheoretischen und einen empirischen Teil, um die verschiedenen Aspekte des Themas „Interkulturelle Kommunikation in internationalen Jugendaustauschmaßnahmen unter besonderer Berücksichtigung von Hauptschülern“ zu erschließen und dementsprechende Handlungsansätze zu entwickeln. Ausgangslage ist die sogenannte „Breitenbach- Studie“ (Breitenbach 1979). Auf dieser Grundlagenstudie und unter Berücksichtigung neuer Literatur soll ein theoretisches Gerüst aufgebaut werden, das als Grundlage für die Analyse des empirischen Teils dienen soll und Einfluß auf die Entwicklung der Praxisbeispiele hat. Da im Mittelpunkt dieser Studie die Jugendlichen, insbesondere die Hauptschüler, stehen, ist es von besonderer Bedeutung, sich zu Beginn mit dem Thema Jugend und vor allem mit der Sozialisation von Hauptschülern auseinanderzusetzen, um einen Einblick in ihre Lebenssituation zu bekommen. Da die Jugendphase als bestimmter Lebensabschnitt zwischen Kindheit und Erwachsenenalter verstanden werden kann und keine statische und unveränderliche Größe darstellt, sondern ständig gesellschaftlichen und individuellen Wandlungen unterliegt, wird die gegenwärtige Situation der Hauptschüler in unserer Gesellschaft dargestellt. Des weiteren werden die Themen Kommunikation, Stereotype/ Vorurteile und Modelle interkulturellen Lernens dargestellt. Diese Kenntnisse sind wichtige Voraussetzungen, um Jugendliche, die aus nicht austauschorientierten Familien kommen, an Begegnungen sinnvoll zu beteiligen und interkulturelle Lernkonzepte zu entwickeln, welche jungen Menschen eine positive Erfahrung innerhalb einer internationalen Jugendaustauschmaßnahme ermöglichen sollen. Um den bisherigen Forschungsstand zu evaluieren, wurden zwei Befragungen durchgeführt. Die erste Befragung richtet sich mit der Fragestellung - „Würdest du an internationalen Jugendaustauschmaßnahmen teilnehmen?“ - unmittelbar an die Zielgruppe der Hauptschüler. Die zweite Befragung richtete sich an Schulaufsichtsbehörden in Deutschland (siehe Anlage), mit der Bitte um Stellungnahme zum Thema „Hauptschüler in internationalen Jugendaustauschmaßnahmen.“ Sie soll ein umfassendes Bild über die tatsächliche Beteiligungssituation vermitteln. Aus den gewonnenen Ergebnissen der Befragungen und den Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Diskussion soll die Möglichkeit der Kooperation von Schule und Jugend in diesem pädagogischen Feld dargestellt werden. Um aufzuzeigen, daß es unter theoretischen und praxisbezogenen Überlegungen möglich ist Jugendliche aus austauschunorientierten Familien am internationalen Jungendaustausch zu beteiligen.

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