Thermospannung in der Rastertunnelmikroskopie : Untersuchungen an homogenen und heterogenen Metall- und Halbleiteroberflächen

Die Untersuchung thermoelektrischer Effekte mit dem Rastertunnelmikroskop ist ein Verfahren, das auf Williams und Wickramasinghe aus dem Jahre 1989 zurückgeht und durch eine Temperaturdifferenz zwischen der Spitze und einer Probe erzeugt wird. Dabei ist die Messung der Thermospannung eng korreliert mit der elektrischen Leitfähigkeit der Tunnelbarriere. Das Meßverfahren zur Messung der Thermospannung erfolgt mithilfe der Potentiometrie und besitzt eine sehr hohe Auflösung im Mikrovolt-Bereich unter Beibehaltung des hohen lateralen Auflösungsvermögens des Rastertunnelmikroskopes. Der zusätzliche Informationsgewinn liegt in der lateralen Variation der Thermospannung (Stichwort "analytical SXM": ortsaufgelöster chemischer Kontrast auf atomarer Skala). Die abgebildete Größe Thermospannuung steht in direktem Zusammenhang mit der lokalen elektronischen Struktur der Oberfläche. Sie ist von großem Interesse, weil damit theoretische Vorhersagen überprüft werden können. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Untersuchungen an homogenen (111)-Goldoberflächen durchgeführt. Diese bilden elektronischen Oberflächenzustände aus, die in der Bandlücke der projizierten Volumenzustände lokalisiert sind. Bei tiefen Temperaturen und sehr großen Temperaturdifferenzen dominieren die Interferenzerscheinungen des Oberflächenzustandes. Man findet eine Zunahme (bis zu 10 Perioden darstellbar) der Kohärenzlänge der Interferenzerscheinung des Oberflächenzustandes bei tiefen Temperaturen gegenüber Messungen der Probe bei Raumtemperatur. Die ermittelte Wellenlänge des Oberflächenzustands bei der Fermienergie stimmt sehr gut mit den Werten aus der Literatur überein. Die Einhüllende der Amplitude der durchgeführten Modellrechnungen zeigt ebenfalls eine sehr gute Übereinstimmung mit den Messungen. Untersuchungen an einer (110)-orientierten Goldoberfläche ergaben eine Thermokraft von etwa -12 µV/K auf der Fläche. Die atomare Modulation auf dieser Oberfläche ist in der Thermospannung ebenso sichtbar (-8 µV/K) wie das Thermospannungssignal an den Stufenkanten. Untersuchungen an einem (100)-orientierten Cu3Au-Kristall ergaben eine wesentlich kleinere Thermokraft im Bereich von einigen µV/K. Die Oberfläche des (100)-orientierten Cu3Au-Kristall ist entweder zu 100% mit Kupfer oder zu jeweils 50% mit Kupfer und Gold bedeckt, was in den durchgeführten Experimenten bestätigt werden konnte. Eine Unterscheidung zwischen Gold und Kupfer konnte erfolgen. Untersuchungen am heterogenen System Silber auf Gold wurden ebenfalls bei tiefen Temperaturen durchgeführt. Dabei stellt sich heraus, daß Bereiche existieren, die dem reinen Substrat entsprechen und andere Bereiche, die einer Legierung aus Silber und Gold entsprechen. Bei tiefen Temperaturen bilden sich ebenfalls stehende Wellen aus, die weder die Eigenschaft des reinen Silbers noch die des reinen Golds besitzen, sondern eine Mischform aus beiden darstellen. Erstmalig wurden Untersuchungen einer SeCl4-Graphitinterkalationsverbindung (GIC) durchgeführt. Dabei stellt sich heraus, daß die Thermospannung der Tunnelbarriere auch eine "Tiefeninformation" liefert. Man erhält in der Thermospanung einen Kontrast zwischen Bereichen, die graphitähnlich sind und anderen Bereichen, die dem Interkalat entsprechen, obwohl beide Verbindungen an der obersten Lage der Oberfläche mit Kohlenstoff terminiert sind. Reines HOPG zeigt eine Thermokraft von etwa 10 µV/K, während die Graphitinterkalationsverbindung SeCl4 einen fast 10-fach höheren Wert zeigt (96 µV/K). Für das GIC-System wurde erstmalig ein positiver Thermospannungswert in den Tunnelexperimenten gefunden. Alle anderen Messungen an Metallen und Halbleitern weisen ein negatives Vorzeichen auf. Mit einem speziellen Meßverfahren ist es erstmalig gelungen, die Thermospannung erfolgreich auf Halbleiter anzuwenden. An diesem System konnte die hohe Empfindlichkeit der Thermospannung auf Details der elektronischen Struktur - unter Beibehaltung der hohen lateralen Auflösung - sehr eindrucksvoll demonstriert werden. Dabei konnte auf der Si(111)-7x7 rekonstruierten Oberfläche ein Unterschied in der Thermospanung zwischen den verschiedenen Adatomen innerhalb der Einheitszelle festgestellt werden. Adatome um die Corner-Holes haben eine negativere Thermospannung als die restlichen Adatome. Weiterhin wurden kleinere Unterschiede zwischen der "faulted" und "unfaulted half" festgestellt. Der mittlere Wert der Thermokraft über der Einheitszelle beträgt mehr als -100 µV/K. Dieses Ergebnis liegt um fast eine Größenordnung über dem für Metalle gefunden Wert. Der Vergleich der Thermospannungsmessungen mit d2I/dV2-Messungen zeigt teilweise eine qualitative Übereinstimmung. Die in der Topographie nur als diffuser Schatten wahrnehmbaren Adsorbate sind in der Thermospannung besonders gut sichtbar. Es wurde herausgefunden, daß diese Adsorbate fast alle innerhalb der "unfaulted half" auf Adatomplätzen zu finden sind. Mithilfe von CITS-Messungen wurde versucht, den Beitrag zur Thermospannung aufzuklären. Es konnte festgestellt werden, daß die elektronischen Zustände der Adatome im Energiebereich bis etwa 100 mV den Hauptbeitrag zum Signal in der Thermospannung der Si(111)-7x7 Oberfläche liefern.

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