M.A. Frank Wichert :

Die Konstituierung moderner Männlichkeit in hegemonialen Printmedien

eine diskursanalytische Untersuchung

Dissertation angenommen durch: Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, Fakultät für Geisteswissenwissenschaften, Institut für fremdsprachliche Philologien, 2004-05-03

BetreuerIn: Prof. Dr. Siegfried Jäger , Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, Fakultät für Geisteswissenwissenschaften, Institut für fremdsprachliche Philologien

GutachterIn: Prof. Dr. Siegfried Jäger , Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, Fakultät für Geisteswissenwissenschaften, Institut für fremdsprachliche Philologien
GutachterIn: Prof. Dr. Jürgen Biehl , Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, Fakultät für Geisteswissenwissenschaften, Institut für fremdsprachliche Philologien

Schlüsselwörter in Deutsch: Diskursanalyse, Kollektivsymbolik, Genderforschung, Männlichkeit, Medienanalyse
Schlüsselwörter in Englisch: masculinity, critical discourse analysis, gender research, media analysis, collective symbolism

 
   
 Klassifikation     
    Sachgruppe der DNB: 400 Sprache, Linguistik
 
   
 Abstrakt     
   

Abstrakt in Deutsch

In der Dissertation wird herausgearbeitet, wie in deutschsprachigen hegemonialen Printmedien 'Anrufungen' an die Subjektkategorie Mann (re-)produziert werden. Mit dieser Untersuchung liegt erstmals eine empirische Untersuchung vor, die zeigt, welche modernen Konstituierungsmomente im Hinblick auf Männlichkeit durch den Printmediendiskurs transportiert werden. In der vorliegenden Dissertation wird zunächst einmal der diskursive Kontext beschrieben, der mit spezifischen Wissenstransformationen als diskursiver Hintergrund aktueller medialer Berichterstattung anzusehen ist. Insbesondere die diskursiven Ereignisse der '68er' Bewegung und die neu entstandenen Subjektivitätsformen in der Folge der '89er' Wende üben einen nachhaltigen Einfluss auf die Konzeption moderner Männlichkeit aus. Der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass die Kategorie 'Geschlecht' aus historischer Sicht eine bedeutende Transformation erfahren hat. Der Diskurs über Geschlechterzuschreibungen wandelte sich von der Annahme, dass Frauen als 'unvollkommene Männer' seien, hin zu einem biologisch/genetischen/sozial begründeten Dualismus, der sich zutiefst auch in aktuelle Printmedien einschreibt. Ferner wird durch die Rekapitulierung des Forschungstandes deutlich, dass Ontologisierungen von Geschlechtern aus diskursanalytischer Perspektive nicht haltbar sind. Die Dissertation folgt in theoretischer und methodologischer Sicht dem Verfahren der 'Kritischen Diskursanalyse', wie es im Anschluss an die Ausführungen Michel Foucaults und Jürgen Links von Siegfried Jäger (vgl. Jäger 2001) entwickelt wurde. Insbesondere der hier entwickelte Diskursbegriff und die normalismustheoretischen Konzeptionen ermöglichen es, aktual-historische Texte in ihrem diskursiven Bezug zu analysieren. Vor allem die diskursiven Formen der narrativen Erzählung, der Kollektivsymbolik und des Angebots von Applikationsvorgaben dienen dazu, Männlichkeitskonzepte im hegemonialen Printmediendiskurs zu konsituieren. Die empirische Analyse der Dissertation gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden die Tageszeitungen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) und die FRANKFURTER RUNDSCHAU (Fr) sowie das wöchentliche erscheinende Nachrichtenmagazin FOCUS im Hinblick auf die in ihnen enthaltenen Männlichkeitsapplikationen untersucht. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf das Jahr 1997. Es wurden alle Artikel erfasst, die in diesen Medien veröffentlicht wurden und in signifikanter Weise Zuschreibungen an die Subjektkategorie Mann enthalten. Diese strukturelle Analyse ermöglicht es, in printmedientypischen Rubriken konkrete Anrufungen zu analysieren. Wie die Analyse dieses ersten empirischen Teils zeigt, orientieren sich diese printmedialen Fremdzuschreibungen an Stratifikationsmuster des Konkurrenzdispositivs. 'Erfolg' und ein symbolisch codierter 'Aufstieg' stellen typische narrative Formationen dar, mit denen Männer beschrieben werden. Der zweite empirische Analyseteil verdeutlicht anhand Auswertungen von Interviews des Nachrichtenmagazins FOCUS, die einer feinanalytischen Untersuchung unterzogen wurden, die subjektive Positionierung von Männern im Hinblick auf herrschende Diskurse. Konkret zeigt die Analyse moderner Männlichkeit folgende Ergebnisse: Die Produktion und Herstellung eines 'autonomen Ichs', ist die Subjektanrufung des hegemonialen Printmediendiskurses. Dieses Fazit erschließt sich sowohl durch die strukturelle Untersuchung der Fremdzuschreibungen, als auch durch die feinanalytischen Selbstzuschreibungen in den Interviews. Aus der proliferierenden (Re-)Produktion des 'autonomen Ichs' durch den Printmediendiskurs ergeben sich weitreichende individuelle und gesellschaftliche Folgen: Die beständige Anrufung 'individuell' oder gar 'autonom' zu sein, fordert dem Subjekt ein Zwang zur Abgrenzung ab. Diese Abgrenzungen können sich zwar auf unterschiedliche Bereiche menschlichen Lebens beziehen, wie etwa dem sozialen Umgang mit auserwählten Personen, allerdings erweist sich der berufliche und gesellschaftliche Erfolg als das wichtigste Distinktionsmerkmal. Des weiteren - und dies erscheint als conditio sine qua non - muss sich, auch um jenen Zustand erreichen zu können, ein (finanzieller) Erfolg ergeben. Der Besitz von Geld erscheint als ein weiteres probates Mittel, um ein scheinbar 'autonomes Ich' zu konstituieren und Abgrenzungen zu anderen Menschen vorzunehmen. Diese Tendenz zeigt sich sowohl auf der Ebene der Fremdzuschreibungen, als auch auf der Ebene der Selbstbeschreibungen. Daher kann festgehalten werden: Die Herausbildung eines (scheinbar) autonomen Selbst und die Realisierung eines finanziellen Erfolges bilden die beiden Pole, um die sich moderne Männlichkeitskonstituierungskonzepte drehen. Es findet auch eine Verschaltung der subjekt - Subjekt Relation (Individuum / Staat -Gesellschaft) statt. Danach sollten individuelle durch staatliche Interessen möglichst abgedeckt werden, um Gefährdungen und Beeinträchtigungen des 'autonomen Ichs' und des (finanziellen) Erfolges abzuwehren. Die Forderungen nach Subjekt- und Handlungsautonomie und finanzieller Absicherung werden sowohl auf subjektiver als auch in Bezug auf die politisch-gesellschaftliche Ebene als Normalität (re-)produziert. Dem Bereich des als 'normal' markierten steht der Sektor des 'nicht-normalen gegenüber. Hiermit werden sowohl einzelne Straftäter, als auch kriegerische Auseinandersetzungen codiert. Außer in einigen Fällen, in denen Gewalt zum Schutz des eigenen Selbst befürwortet wird, werden aggressive Konfrontationen durchweg als negativ und nicht-normal dargestellt. Mit einigen Ausnahmefällen werden auch Rauschzustände durch den Konsum von Drogen negativ codiert. Sie stellen eine Gefährdung des Selbst dar und das Selbst droht, an ihnen zu zerfließen. Zum Bereich des 'Nicht-Normalen' gehören alle potentiellen Gefährdungen des 'Selbst'. Hierbei kann es sich um Gewalt von 'außen' oder um Gifte des Außen handeln, die das 'Selbst' zu zerstören drohen. Beide empirischen Teile dieser Arbeit zeigen, dass es bei nahezu allen angesprochenen Thematiken, mit denen der Diskursstrang 'Mann' verkoppelt ist, gewisse Bandbreiten der Positionierung (re-)produziert werden. Neben 'typische' Positionierungen tritt auch die Möglichkeit, alternative oder zumindest abweichende Diskurspositionen zu beziehen. Dies betrifft insbesondere den Bereich des biopolitischen Dispositivs. Neben traditionellen 'Familienkonzepten', in denen der Mann als Versorger, Ehemann einer 'Hausfrau' und Vater erscheint, treten abweichende Konzepte auf, z.B. homosexuelle Beziehungen, Promiskuität, nicht-eheliche Partnerschaften. Der Bereich biopolitischer Positionierungen hat sich gegenüber traditionell - familiaristischen - Konzepten erweitert. Das Schema der Subjekt-Kollektivsymbolik zeigt an, wie moderne Männlichkeit das eigene Selbst codiert und mit welchen Kollektivsymbolen Diskurse codiert werden, die mit dieser Thematik verstrickt sind. An diese Befunde muss die Frage gestellt werden, welche Friktionen sich hieraus ergeben. Wenn es Männern nicht um die homogene Durchsetzung überkommener traditioneller Patriarchatskonzepte geht, so müssen gerade jene Widersprüche und Allianzen betont und herausgestellt werden, die sich traditionellen repressiven Strukturen widersetzen.

Abstrakt in Englisch

This doctoral thesis elaborates how 'appellations' to the subject category of 'man' (i.e. the social category of the male as opposed to the female human) are produced and re-produced in German-speaking hegemonial print media, i.e. how the 'subject man' is constituted and extrapolated by print media discourse.This analysis provides the first empirical research that demonstrates how modern-day components are transported by print media discourse in order to constitute 'masculinity'. First, the thesis describes the discursive context which, with its specific transformation of knowledge, can be seen as the discursive background to modern media coverage. Especially the discursive events of the German '1968 movement' (frequently associated with the emerging 'permissive age' in Western society) and the new forms of subjectivity subsequent to the 1989 political changes in Germany leading up to the end of the Cold War have had sustained influence on the conception of modern masculinity. Recent research shows, that as a social category 'gender' has been transformed a great deal in the course of history. The discourse concerning gender ascriptions has changed over time from the assumption that women are 'incomplete men' into a biological/genetical and social-based dualism which in current print media discourse sees women and men as entities in their own right. Furthermore, a review of the research topic reveals that the ontological constitution of gender is not tenable from a discourse analytical point of view. As far as theory and method are concerned the presented thesis is based on the 'Critical Discourse Analysis' developed by Siegfried Jäger (Jäger 2001) tying in with the work of Michel Foucault and Jürgen Link. The particular concept of discourse which has been developed in this connection and the inherent concepts of normalism theory make it possible to analyse modern texts within their discursive context. Especially the discursive forms of narration, collective symbolism and the role models on offer to people in every-day discourse help to constitute concepts of masculinity in the discourse of hegemonial print media. Second, the empirical analysis comprises two parts. In the first part the constitution of role models for masculinity is analysed in two daily newspapers 'FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ)' and 'FRANKFURTER RUNDSCHAU (FR)' and in one weekly news magazine 'FOCUS'. The analysis covers all articles which were published in 1997 and contain significant role ascriptions to the subjectivity of 'man'. This structural analysis enables scrutiny of various specific role appelations within the typical print media sub-topics, e.g. sports, politics, health etc.. This first part of empirical analysis shows that the constitution of role models in print media is guided by the stratification clusters of the dispositive of 'competition'”. In fact, 'success' and, symbolically encoded, 'advancement' are typical narrative structures to describe 'men'. The second part of empirical analysis makes 'man’s' positioning of 'the self' evident within relevant discourses. To this purpose interviews taken for the news magazine FOCUS were analysed in depth. The analysis of modern masculinity can be summarized as follows: The production of an 'autonomous ego' is the pattern of the constitution of the subjectivity of the male human within the hegemonial print media discourse in Germany (corresponding to 'the self-made man', i.e. constructed by the subject himself with no outside help). This conclusion derives from the structural analysis of the attribution of 'other men' on the one hand and the in-depth analysis of the attribution of 'the self' on the other. Far-reaching individual and societal consequences result from the proliferating (re-)production of the 'autonomous ego' in print media discourse. Constantly being called upon to be 'individual' or even 'autonomous' requires of the subject a compulsion to delimit itself. These delimitations can touch on various sections of human life, such as social contact with 'selected persons' – professional and societal success proves to be the most important distinctive feature. Furthermore – and this seems to be a conditio sine qua non – (financial) success has to follow on in order to reach such a state. The possession of money appears to be a further tried means to constitute a seemingly autonomous ego with which it can delimit itself from others. This tendency can be found both on the level of ascriptions (by others) as well as on the level of description (by oneself). Thus, the evolution of a seemingly autonomous ego and the achievement of financial success form the two poles around which the concepts of the constitution of masculinity revolve. The subject relation is connected where the individual and the state is concerned. In fact, indivual interest should as far as possible be covered by the interests of the state in order to fend off threats and impacts on the 'autonomous ego' and its (financial) success.The calls for autonomy of the subject and its actions as well as financial security are (re-)produced both on the subjective and the polical-societal level in terms of 'normality'. The area of what is deemed to be 'normal' is opposed to the 'non-normal'. In this way both individual criminals and war activities are encoded. Aggressive confrontation is portrayed negatively as being 'not normal', except in some cases where the own self has to be protected against violence. With some exceptions intoxication by drugs is encoded negatively. They represent a threat to the self and the self is in danger of dissolving. The area of the 'non-normal' is made up of all the potential threats to the self. These can be threats from 'outside' or poisons from the outside which threaten to disturb the 'self'. Both empirical parts of the paper show that nearly all topics touched which are connected with the discourse strand 'man' (re-)produce a certain range of positioning. Alongside 'typical' positionings the possibility to refer to alternative or at least deviant discourse positions. This is particularly true where the area of the biopolitical dispositive is concerned. Apart from traditional 'family-based concepts', in which the man is the provider, husband of a 'housewife' and father, deviant concepts can be found, e.g. homosexual relationships, promiscuity, non-mariatal relationships. Thus the area of biopolitical positionings has broadened in comparison with traditional family-based concepts. The range of collective symbolism connected with subjectivity shows how modern masculinity encodes the own self and what the collective symbols are which are intertwined with that topic. The question as to which frictions are brought up by these findings can be asked. If it is not putting through homogenous traditional concepts of patriarchy handed down especially these contradictions and alliances must be pronounced and emphasized which oppose to traditional repressive structures.