Astrid Brinkmann :

Über Vernetzungen im Mathematikunterricht

eine Untersuchung zu linearen Gleichungssystemen in der Sekundarstufe I

Dissertation angenommen durch: Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für Mathematik, 2002-09-09

BetreuerIn: Prof. Dr. Günter Törner , Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für Mathematik
BetreuerIn: Prof. Dr. Erkki Pehkonen , University of Turku, Department of Teacher Education

GutachterIn: Prof. Dr. Günter Törner , Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Fakultät für Naturwissenschaften, Institut für Mathematik
GutachterIn: Prof. Dr. Erkki Pehkonen , University of Turku, Department of Teacher Education

Schlüsselwörter in Deutsch: Vernetzungen im Mathematikunterricht, Kategorien der Vernetzung, kognitive Netzwerke, deklaratives Wissen, konzeptuelles Verständnis, lineare Gleichungssysteme, Curriculumsrahmen, vernetztes Denken, fachsystematische Vernetzung, Modellvernetzung
Schlüsselwörter in Englisch: connections, mathematics education, network categories, cognitive networks, deklarative knowledge, concept mapping, mind mapping, sets of two equations in straight form, curricular frames

 
   
 Klassifikation     
    Sachgruppe der DNB: 27 Mathematik
 
   
 Abstrakt     
   

Abstrakt in Deutsch

Mathematikleistungen deutscher Schüler weisen im Bereich des konzeptuellen Verständnisses und vernetzten Denkens Defizite auf, wie die TIMS-Studie zeigt und die PISA-Studie bestätigt. Eine Untersuchung zu Vernetzungen im Mathematikunterricht erscheint vor diesem Hintergrund nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Ziel der Arbeit ist die Verfolgung von Vernetzungen bei ihrer Übertragung durch Lehr- und Lernprozesse aus dem Unterrichtsstoff Mathematik auf die kognitive Ebene von Schülern zwecks Lokalisierung und Präzisierung von Defiziten. Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen Teil und eine empirische Untersuchung. Im ersten Teil wird zunächst ein Überblick über das Forschungsthema Vernetzung in der fachdidaktischen Diskussion gegeben. Für den Begriff 'Vernetzung', der bislang wenig präzisiert wurde, erfolgt dann eine begriffliche Fundierung speziell für den Fokus 'Vernetzungen im Mathematikunterricht'. Es wird herauskristallisiert, dass vernetzten Systemen eine Graphenstruktur zugrunde liegt, wobei Vernetzungen durch Kantenmengen von Graphen und damit durch Relationen mathematisch modelliert werden. Eine Kategorisierung von relevanten Vernetzungen für den Mathematikunterricht wird herausgearbeitet. Ferner wird auf Vernetzungen in Lehr- und Lernprozessen eingegangen. Es werden Theorien und Modelle vorgestellt, die zur Beschreibung der Genese, Speicherung und Aktivierung von Vernetzungen dienlich sind und vor dem Hintergrund dieser theoretischen Basis einige Anmerkungen zu Vernetzungen der einzelnen Kategorien zusammengetragen. Das Modell der Curriculumsrahmen wird als Ansatz zur Spezifizierung von Vernetzungen in Lehr- und Lernprozessen mit seinen Grenzen und Möglichkeiten diskutiert. Es dient, zusammen mit der graphischen Modellierung von Vernetzungen, als Hilfsmittel für die empirische Untersuchung. Die empirische Untersuchung fokussiert fachsystematische Vernetzungen sowie Modellvernetzungen (i.e. bestimmte anwendungsbezogene Vernetzungen) zum speziellen Unterrichtsthema der linearen Gleichungssysteme in der Sekundarstufe I, wobei die Curriculumsrahmen als Kontrollinstanzen zur Verfolgung von Vernetzungen mathematischer Objekte in Lehr- und Lernprozessen dienen. Folgenden Fragen wird im Einzelnen nachgegangen: 1. Welche fachsystematischen Vernetzungen und welche Modellvernetzungen sind zum betrachteten Thema in den drei Curriculumsrahmen zu finden? 2. Welche Veränderungen der Vernetzungen treten bei der Übertragung aus dem Rahmen des intendierten Curriculums über den Rahmen des implementierten Curriculums hin zum Rahmen des erreichten Curriculums auf? Die Ergebnisse zeigen, dass Vernetzungen aus dem Rahmen des intendierten Curriculums, wie es sich in Schulbüchern widerspiegelt, nahezu unverändert, translationsartig in den Rahmen des implementierten Curriculums übertragen werden: Lehrer unterrichten in enger Anlehnung an das Schulbuch. Der weitere Übergang vom implementierten zum erreichten Curriculum erweist sich als filterartig; von der im Unterricht dargestellten Beziehungshaltigkeit der Thematik geht vieles verloren. Am besten beherrscht werden von den Schülern die Anbindungen von Lösungsalgorithmen an Aufgaben, sowie einfache fachsystematische Vernetzungen gemäß Oberbegriff-Unterbegriff-Relationen. Die Kenntnis verschiedener Repräsentationen mathematischer Objekte ist hingegen mangelhaft. Sind im deklarativen Wissen der Schüler um Vernetzungen bereits erhebliche Mängel zu verzeichnen, so gelingt der dynamische Umgang mit diesem Wissen beim Problemlösen selbst den wenigen Schülern, die es haben, nur zum geringen Teil. Diese Ergebnisse entsprechen dabei durchaus den von den Lehrern angegebenen Einschätzungen bzgl. zu erwartender Schülerleistungen. Die Untersuchungsergebnisse liefern Hinweise für Ansätze zu einer möglichen Verbesserung des Mathematikunterrichts im Hinblick auf einen erfolgreicheren Aufbau von Vernetzungen im Schülerwissen.

Abstrakt in Englisch

According to the TIMS-Study students in Germany show great deficits in problem solving abilities according to a lack of flexibility in thinking in mathematical networks. However, there exists hardly information about the exact lacks and the reasons of the deficits. The aim of the study in this dissertation thesis was to investigate how a mathematical network as it is presented in textbooks is transformed when carried over into students' minds during teaching and learning processes. The thesis subdivides into a theoretical part and the presentation of the empirical investigation. The theoretical part gives first an overview on the didactical discussion to the topic of connections in mathematics education. It follows a conceptual foundation of mathematical networks and their different aspects, pointing out that the underlying structure of a network is a graph, whose vertices represent mathematical objects and nonmathematical components related to these, and whose edges represent existing relations on them. According to the different sorts of relations, network categories with relevance for mathematics education in school are defined. Further, some theories and models describing aspects of genesis, memorizing and recalling connections are presented and information with regard to the different network categories defined above are brought out. The model of curricular frames is discussed as an approach to specify connections in teaching and learning processes; it serves, together with the modelling of connections as graphs, as aids for the empirical investigation. The empirical study particularly focuses on the topic 'sets of two equations in straight form' in middle grade classes and restricts on the investigation of some network relations according to subject systematics and a special relation according to the application of mathematical objects, the model relation. The main research questions are: 1. Which relations according to subject systematics and which model relations to the topic focused on are part of curricular frames? 2. Which network transformations result in teaching and learning processes, on the way from the frame of the intended curriculum into the frame of the implemented curriculum and further in the frame of the achieved curriculum? The results show that connections as they are presented in text books are nearly unchanged translated into the frame of the implemented curriculum: teachers follow almost exactly the textbook in their lessons. On the further transfer of the implemented network into students' minds many connections are filtered out: the mainly learned connections by students are part of the links according to subject systematics (links between problems and solving algorithms, linkages according to a subconcept-superconcept relation), model links are hardly known. Students show great difficulties, when they have to use connections in problem solving processes. The study reveals the incompleteness of the transfer of implemented networks into students' minds. Moreover, the missing relations in the achieved networks are pointed out. The results of the study provide useful information for a possible improvement of teaching and learning processes with respect to the different sorts of connections.