6 Zusammenfassung und Ausblick

Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Erzeugung ultrakurzer elektrischer Impulse, wie sie für Zwecke der Zeitbereichs-Meßtechnik, z.B. dem Aufbau einer On-Wafer-Streuparametermeßtechnik für Frequenzen von mehr als 100 GHz benötigt werden. Wanderwellenstrukturen in Form von monolithisch integrierten nichtlinearen Leitungen (NLTL) zeigen mit der Aufsteilung von Schockwellen und der Kompression von Impulsen ideale Eigenschaften geeignete Impulsformen mit Anstiegszeiten bzw. Halbwertsbreiten von weniger als 5 ps zu erzeugen. NLTL bestehen aus koplanaren Leitungsstrukturen, in die periodisch angeordnete Schottkydioden monolithisch integriert sind. An bisher im GaAs-System realisierten NLTL werden zwar hinreichend kurze Anstiegszeiten demonstriert, jedoch weisen die generierten Signalformen unerwünschte Nachschwingsignale und hohe Verluste auf. Ferner ist ein Defizit an systematischen Untersuchungen zur Pulskompression festzustellen, so daß eine Optimierung für praktische Anwendungen nur in Teilbereichen erfolgt ist. Das Ziel dieser Arbeit war daher, über eine systematische theoretische und experimentelle Untersuchung der Kompressionseigenschaften von NLTL, nichtlineare Leitungsstrukturen zu entwickeln, die zur Erzeugung ultrakurzer elektrischer Impulse mit Transienten von weniger als 5 ps Dauer und einer hinreichend starken Unterdrückung von Nachschwingsignalen geeignet sind. Weiterhin waren neue Verfahren aufzuzeigen, mit denen die Effektivität der Pulskompression auf NLTL verbessert wird.

Die Funktionsweise einer NLTL besteht darin, daß durch eine in Form von spannungsabhängigen Kapazitäten in die Leitung eingebrachte Nichtlinearität, zu einer sich auf der Leitung ausbreitenden Welle harmonische Komponenten generiert werden. Diese breiten sich ebenfalls auf der Leitung aus, wobei durch eine geeignete Leitungsstruktur in Ausbreitungsrichtung die Phasenbeziehung aller Wellen so gesteuert wird, daß die konstruktive Überlagerung der Aufsteilung einer Schockwelle oder der Kompression von Impulsen entspricht. Die Struktur der NLTL zeichnet sich in der Regel durch eine periodische Anordnung von in Sperrichtung betriebenen Schottkydioden in einer koplanaren Hochfrequenzleitung aus, wobei die Sperrschichtkapazitäten zusammen mit der Indultivität der ko-planaren Verbindungsleitungen im Sinne eines L-C-Kettenleiters als super-integriertes Tiefpaßfilter wirken. Aufgrund der endlichen Leitfähigkeit von Leitungsmetallisierung und Halbleiterschichten treten in technischen NLTL zusätzlich Verluste auf, die bei der Signalausbreitung auf der NLTL eine Dämpfung des Signales bewirken.

Um die Signalausbreitung auf NLTL numerisch zu untersuchen, ist ein Simula-tionsverfahren entwickelt worden, daß auf einer Beschreibung der Leitung durch ein differentielles Ersatzschaltbild beruht. Auf Basis dieses Ersatzschaltbildes ist eine nichtlineare Feldgleichung nach Art der generalisierten Korteweg-de Vries-Gleichung hergeleitet worden, bei deren numerischer Lösung der Einfluß von Nichtlinearität, Filterstruktur und Verlusten auf die Signalausbreitung unabhängig voneinander berücksichtigt wird. Die Anwendbarkeit dieses als KdV-Simulator bezeichneten Verfahrens ist bis weit in den Submillimeterwellenbereich durch Vergleichsrechnungen mit einem weiteren Simulationsverfahren im Zeitbereich belegt. Umfangreiche Berechnungen zur Pulskompression auf NLTL haben ergeben, daß die Kompressionseigenschaften durch eine verstärkte Nichtlinearität und durch die Strukturierung der NLTL in Form einer Gradienten-NLTL bedeutend verbessert wird. So führt eine gestufte Anordnung von Schottkydioden mit einer besonders stark ausgeprägten relativen Kapazitätsänderung, die bis zu höchsten Frequenzen wirksam ist, zu kürzeren Bauelementen und damit zu geringeren Leitungsverlusten, was große Signalamplituden am Ausgang der NLTL ermöglicht. Gleichzeitig bewirkt die gestufte Anordnung der Dioden, daß auf der NLTL aus einem sinusförmigen Eingangssignal nur ein Impuls pro Periode mit minimaler Anstiegszeit bzw. Halbwertsbreite erzeugt wird, wobei auftretende Nachschwingsignale ausreichend stark unterdrückt sind.

Weiterhin sind drei weitere Methoden zur Verbesserung der Kompressionseigen-schaften auf NLTL mit dem KdV-Simulator aufgezeigt und numerisch untersucht worden. Mit einer Anordnung der NLTL in Form eines Resonators führt die An-wendung von parametrischer Verstärkung, beim Betrieb in Resonanz, zur Generation von Einzelimpulsen, die durch Energiezufuhr aus einem periodischen Pumpsignal hohe Amplituden erreichen. Weiterhin werden auf NLTL nichtlineare absorptive Effekte, wie sie in resonanten Tunneldioden (RTD) oder Schottkydioden vorkommen, wenn sie in Durchlaßrichtung betrieben werden, ebenfalls zur Erzeugung steiler Schockfronten und kurzer Impulse auf NLTL genutzt. Insbeson-dere führt dabei das aktive Verhalten von RTD zur Kompensation von Leitungs-verlusten und damit zur Ausbildung entsprechender stationärer Wellenformen.

Anhand von Simulationsergebnissen sind verschiedene NLTL auf GaAs-Basis und im InAlAs/InGaAs/InP-Halbleiterschichtsystem entworfen worden. Schottkykon-takte auf den dabei berücksichtigten Schichtstrukturen weisen dabei die folgenden, für den Einsatz in NLTL wichtigen Eigenschaften auf: Im Vergleich zur GaAs-Schottkydiode zeigt der Schottkykontakt einer InP-HFET-Diode, bei gleichen Kontaktabmessungen, eine um den Faktor 23 stärker ausgeprägte Änderung der Sperrschichtkapazität. Dieses Verhalten wird auf das Ausräumen von freien Ladungsträgern aus dem zweidimensionalen Elektronengas unterhalb der Schottky-Metallisierung von InP-HFET-Dioden zurückgeführt. Weiterhin ist der Sättigungs-strom in Sperrichtung von InP-HFET-Dioden gegenüber den GaAs-Dioden um den Faktor 200 geringer, wobei beide Dioden in etwa eine gleich hohe Durchbruch-spannung aufweisen. Lediglich der Schichtwiderstand des Halbleiters mit InP-HFET-Schichtstruktur ist mit 160 W/sq deutlich größer als für die GaAs-Schicht-struktur (3,4 W/sq), was jedoch durch eine entsprechende Kontaktanordnung ausgeglichen wird. Die zur Herstellung von NLTL benötigten Halbleiterschichten sind im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich mit dem Verfahren der Molekular-strahlepitaxie hergestellt worden. Bevor auf Basis dieser Halbleiterschichten NLTL hergestellt wurden, sind zunächst die Simulationsergebnisse in geeignete technische Layouts umgesetzt worden, was durch eine geschickte Abbildung von Ersatzschalt-bildelementen auf koplanare Leitungsstrukturen erfolgte. Die anschließende technologische Prozessierung der NLTL ist dann mit Hilfe der Kontaktlithographie, der Ionenimplantation, standardisierter naßchemischer Ätzverfahren und dem Aufdampfen von Metallen durchgeführt worden. Mit diesem Verfahren sind erstmals nichtlineare Leitungen auf einem InP-HFET- Schichtsystem hergestellt worden, wobei sich herausgestellt hat, daß die Technologie zur Herstellung der InP-HFET-NLTL mit deutlich weniger Aufwand durchzuführen ist, da die für die Herstellung von GaAs-NLTL notwendigen Prozeßschritte zur Ionenimplantation entfallen.

Zur anschließenden systematischen experimentellen Untersuchung der hergestellten NLTL wurden die Methoden der Netzwerkanalyse, des elektrooptischen Meßver-fahrens und eines neu entwickelten Feldsondenmeßplatzes eingesetzt. Dabei haben die Messungen im Frequenz- und Zeitbereich zu folgenden wichtigen Ergebnissen geführt. So ist hier insbesondere im Vergleich mit Literaturangaben experimentell nachgewiesen, daß der Einsatz von InP-HFET-Dioden anstelle von GaAs-Schottky-dioden auf NLTL zu einer verstärkten Nichtlinearität und bei vergleichbaren Ausgangssignalen zu eine reduzierten Bauelementlänge führt. Vergleiche zwischen experimentellen und numerischen Ergebnissen haben weiterhin ergeben, daß diese Nichtlinearität mit einer Bandbreite von über 450 GHz bei der Impulsformung auf den Leitungen wirksam ist. Ferner ist die Entstehung von Schockwellen und die weitere Kompression zu nadelförmigen Impulsen, auf einer anhand von Simulations-ergebnissen optimal strukturierten Gradienten-NLTL, numerisch vorhergesagt und experimentell bestätigt worden. Diese Leitung liefert Flanken mit den kürzesten hier gemessenen Fallzeiten von 3,6 ps, wobei nur ein Impuls pro Periode des Eingangs-signales generiert wird. Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß stark frequenzabhängige Resonanzen an den Leitungsenden zu erhöhten Spannungs-amplituden mit einer örtlich modulierten Verteilung auf der NLTL führen, so daß teilweise nur an bestimmten Orten in der Leitung optimale Kompressionsergebnisse erzielt werden.

Damit ist gezeigt, daß InP-HFET-Dioden sehr gut für den Einsatz in NLTL zur Erzeugung von elektrischen Impulsformen mit Fallzeiten von weniger als 5 ps geeignet sind. Sie weisen eine starke Kapazitätsänderung auf und bewirken eine entsprechend stark ausgeprägte Nichtlinearität in NLTL, was zu kurzen, kompakten Bauelementen führt. Ferner können InP-HFET-NLTL in idealer Weise zusammen mit weiteren Hochfrequenzschaltungen (Generatoren, Verstärker) auf Basis des InP-HFET-Substrates monolithisch integriert werden, so daß durch geeignet gewählte Impedanzen optimale Arbeitsbedingungen für NLTL zu erreichen sind.

Zu einer weiteren Verbesserung der Kompressionseigenschaften der hier darge-stellten NLTL würde eine zusätzliche galvanische Verstärkung der Leitungs-metallisierungen führen. So würde eine Metallisierungsdicke von 2 µm auf der Gradienten NLTL grad-E3-H eine abgeschätzte Dämpfung von lediglich 5 dB (6,5 GHz) bei einer Gesamtlänge der Leitung von 12 mm bewirken. Einerseits würde damit, durch größere Signalamplituden vor allem im fein strukturierten Endbereich der Leitung, die Nichtlinearität effektiver zur Impulsformung und somit zur Erzeugung großer Ausgangsamplituden beitragen. Andererseits würde auch eine geringere Eingangsleistung zur Erzeugung hochwertiger Signalformen ausreichen. Ebenfalls einen positiven Einfluß auf die Kompressionseigenschaften kann die Anwendung einer neuen Art von Koplanarleitung haben. Bei dieser Leitung ist der Innenleiter um ca. 3 µm vom Substrat abgehoben, was zu einem um den Faktor 4 geringeren Kapazitätsbelag, einem mehr als halbierten Dämpfungsbelag und einer Verdopplung der Phasengeschwindigkeit gegenüber einer gewöhnlichen Koplanar-leitung gleicher Abmessung führt [133,134]. Durch den Einsatz dieses Leitungstyps in periodischen oder Gradienten-NLTL wird also die Signalausbreitungsgeschwin-digkeit erhöht, so daß größere Abstände zwischen den Dioden vor allem im Endbereich von Gradienten-NLTL möglich sind. Neben einer effektiveren Impulsformung aufgrund der wirksameren Induktivität werden auch gleichzeitig die Leitungsverluste deutlich minimiert.

Für die Erzeugung von Schockwellen oder Impulse mit Fallzeiten bzw. Halbwerts-breiten von deutlich weniger als 3 ps sind Diodenstrukturen notwendig, die in NLTL eine effektiv wirksame Nichtlinearität bis zu Frequenzen von ca. 10 THz gewähr-leisten. Das bedeutet, daß diese Dioden neben einer kleinen Kapazität vor allem einen deutlich geringeren Bahnwiderstand aufweisen müssen. Bei einer Realisierung solcher Dioden im InP-HFET-System ist zunächst eine genauere Untersuchung des Schottkykontaktes auf der InP-HFET-Schichtstruktur unter besonderer Betrachtung der inneren Vorgänge beim Ausräumen des zweidimensionalen Elektronengases durchzuführen. Für eine gezielte Optimierung der Höchstfrequenzeigenschaften ist dann eventuell die Schichtstruktur zu modifizieren, so daß bei einer stark ausge-prägten Spannungsabhängigkeit der Sperrschichtkapazität gleichzeitig der Schicht-widerstand geeignete Werte annimmt. Bei Verwendung von InP-HFET-Schicht-strukturen, wie sie in Kapitel 2 dargestellt sind, werden Aufgrund des hohen Schichtwiderstandes Kontaktanordnungen nach Art von Interdigitalkondensatoren notwendig sein, deren Strukturgrößen (z.B. Fingerabstand) in der Größenordnung der epitaxierten Schichtdicke zu wählen sind. Die technische Umsetzung wird dabei durch die zu berücksichtigenden Streu- bzw. Kanteneffekte an den Kontaktfingern und die Herstellung durch den notwendigen Einsatz der Elektronenstrahllithographie erheblich erschwert. Es bleibt daher abzuwägen, ob für diesen Einsatz als Alternative z.B. den d-dotierte InAlAs/InGaAs/InP-Varaktordioden nach [61] der Vorzug zu geben ist, die mit einer relativen Kapazitätsänderung von ca. 800 % und einem Schichtwiderstand von etwa 8 W/° ebenfalls für den Einsatz in NLTL geeignet sind [135].

Weiterhin kann im Rahmen der Entwicklung von NLTL das Entwurfsverfahren wie folgt verbessert werden. Zunächst ist mit dem KdV-Simulator die Leitungsstruktur auf die gewünschten Kompressionseigenschaften hin zu optimieren. Der sich daraus ergebende Leitungsentwurf dient dann als Basis für ein weiteres Zeitbereichs-verfahren, mit dem unter Berücksichtigung von Reflexionen bei der Signalaus-breitung der Leitungsentwurf weiter optimiert wird. Gleichzeitig ist das vorgesehene Layout einzelner Dioden mit Hilfe eines dreidimensionalen Feldsimulationsver-fahrens, z.B. der FDTD-Methode (engl.: Finite Difference Time Domain) hinsicht-lich parasitärer Beiträge, wie etwa die Induktivität der Metallkontakte an den Dioden oder die Streukapazität der Metallkontaktanordnung, zu untersuchen (siehe z.B. [136]). Alle Ergebnisse fließen im Rahmen einer Synthese in den Optimie-rungsprozeß ein, der in einen entsprechend geeigneten Leitungsentwurf mündet.

Nichtlineare Leitungen, die zur Erzeugung hochwertiger ultrakurzer elektrischer Impulse optimiert sind, haben neben ihrem Einsatz zur Charakterisierung von Bauelementen im Höchstfrequenzbereich, weitere Anwendungen, von denen zwei in den folgenden Beispielen kurz dargestellt sind:

Gegenstand weiterer, z.Zt. laufender Untersuchungen ist ferner die Frage nach Möglichkeiten mit denen sich das Konzept der NLTL auch zur Optimierung anderer Bauelemente, wie z.B. Oszillatoren, Frequenzvervielfacher und Mischer, einsetzen läßt. Unter Anwendung dieses Konzeptes - Erzeugung harmonischer Wellen durch Nichtlinearität und Steuerung ihrer Überlagerung durch ein superintegriertes Filter - zeigen erste Simulationen zur Frequenzerzeugung auf RTD-NLTL und zur Frequenzvervielfachung mittels doppeltperiodischen Varaktor-NLTL eindrucks-volle Ergebnisse [39-44]. So werden z.B. Oszillationen bei Frequenzen von 190 GHz mit einer Leistung von 0 dBm vorhergesagt. Bei der Frequenz-verdopplung sind Frequenzen von 200 GHz mit einem Wandlungswirkungsgrad von über 70 % und bei der Frequenzverdreifachung 198 GHz mit einem Wirkungsgrad von über 25 % zu erwarten.

Insgesamt ist also festzustellen, daß das Konzept der nichtlinearen Leitungen zu bedeutenden Fortschritten im Bereich der Entwicklung von Wanderwellen-Bauelementen für den Millimeter- und Submillimeterwellenbereich führt.