1 Einleitung

Zu Beginn der neunziger Jahre wurden zunehmend Höchstfrequenzbauelemente und monolithisch integrierte Schaltungen entwickelt, die elektrische Signale mit Frequenzen von deutlich über 100 GHz erzeugen bzw. verarbeiten können. So wird z.B. in [1,2] von monolithisch integrierten Verstärkerschaltungen auf Basis von High-electron-mobility Feldeffekttransistoren (kurz: HEMTs) berichtet, die im Frequenzbereich von 5-115 GHz eine Verstärkung von 5-6 dB aufweisen. Weiterhin zeigen resonante Tunneldioden Oszillationen bei 712GHz [3], Frequenzverviel-facher erreichen Ausgangssignale mit Frequenzen von 800 GHz [4] und in [5] wird von GaAs-Schottkydioden berichtet, die im Submillimeterwellenbereich zur Frequenzmischung eingesetzt werden.

Für die Charakterisierung derartiger Elemente und Schaltungen im Höchstfrequenz-bereich ist eine Zeitbereichs-Meßtechnik unter Anwendung kurzer elektrischer Impulse geeignet, wobei die Bandbreite des eingesetzten Samplingverfahrens im wesentlichen durch die zeitliche Dauer der elektrischen Abtastimpulse gegeben ist [6-10]. Um mit einer derartigen Meßtechnik elektrische Signale mit Frequenzen von über 100 GHz detektieren zu können, ist es daher notwendig, daß die einzu-setzenden elektrischen Abtastimpulse zeitliche Transienten von weniger als 5 ps Dauer aufweisen.

Die optoelektronische Wandlung kurzer optischer Laserpulse stellt eine Möglichkeit dar, geeignete elektrische Impulsformen zu erzeugen. So werden zum Beispiel über optoelektronische Schalter kurze elektrische Impulse mit Halbwertsbreiten von 150 fs generiert [7]. Der universelle Einsatz solcher optoelektronischen Meßan-ordnungen wird jedoch durch die aufwendigen Lasersysteme und den komplexen Meßaufbau eingeschränkt.

Hinreichend kurze elektrische Impulse lassen sich jedoch auch durch den Einsatz monolithisch integrierter Schaltungen in Form von speziellen Hochfrequenz-Streifenleitungen auf halbleitendem Material erzeugen. Derartige Leitungen bestehen in der Regel aus einer koplanaren Leitungsmetallisierung auf GaAs- oder InP-basierendem Halbleitermaterial, in die mit geeignet gewählten Abständen Schottkydioden monolithisch integriert sind. Durch eine geschickte Ausnutzung der Raumladungszonen an den Metall-Halbleiterkontakten der Schottkydioden wird auf diesen Leitungen gezielt eine Wechselwirkung der sich auf ihnen ausbreitenden elektromagnetischen Wellen ermöglicht [11,12]. So führt z.B. ein Eingangssignal in Form einer sinusförmigen Wechselspannung auf der Leitung zur Aufsteilung von Schockwellen und zur Generation kurzer elektrischer Impulse [12,13]. Der dabei stattfindende Wechselwirkungsprozeß läßt sich, in Analogie zur nichtlinearen Optik, durch die Solitonentheorie beschreiben und verstehen [13-15] und beruht im wesentlichen auf einer, durch die nichtlineare Wellenausbreitung selbst hervor-gerufenen Änderung der Kapazität an den Schottkykontakten der einzelnen Dioden. Aufgrund des Wechselwirkungsprozesses werden derartige Leitungen auch als Nichtlineare Leitungen oder kurz NLTL (engl.: Nonlinear Transmission Line ) bezeichnet und die Änderung der Kapazität an den Schottkykontakten, speziell im Rahmen dieser Arbeit, mit dem Begriff der Nichtlinearität einer NLTL um-schrieben. Das besondere Interesse an NLTL liegt nun vorrangig darin, durch eine geeignete Dimensionierung der Leitungen auf ihnen Schockwellen und Impulse zu erzeugen, die für Anwendungen in der Zeitbereichs-Meßtechnik, etwa dem Aufbau einer On-Wafer-Streuparametermeßtechnik mit einer Bandbreite von deutlich über 100 GHz, geeignet sind. Eine derartige Meßtechnik auf Basis von NLTL ist z.B. in [16] in Grundzügen aufgezeigt.

Die Motivation zu dieser Arbeit liegt in zwei Berichten über die Generation von Schockwellen und Impulsen in Form von Solitonen auf monolithisch integrierten Schottkydioden-NLTL auf GaAs-Basis. So werden in [17] Schockwellen mit Anstiegszeiten von 6,5 ps für eine periodisch strukturierte NLTL und mit 3,5 ps für eine Kaskade zweier NLTL demonstriert. Die dabei erzielten Spannungsamplituden weisen eine Größenordnung von etwa 2 V auf. Weiterhin sind in [18] NLTL mit gestufte angeordneten Schottkydioden beschrieben, auf denen Impulse in Form von Solitonen generiert werden, die Halbwertsbreiten von 5,5 ps und Amplituden von 1 V erreichen. Diese experimentellen Arbeiten zur Generation und Kompression von elektrischen Impulsen auf NLTL zeigen die prinzipiellen Einsatzmöglichkeiten dieser Leitungsstrukturen. Jedoch sind in [17] und [18] systematische Unter-suchungen experimenteller und theoretischer Art nur im Ansatz durchgeführt, so daß die oben genannten Leitungen, neben großen Verlusten, auch eine teilweise unzureichende Unterdrückung von Nachschwingsignalen aufweisen. Weiterhin wurden vor kurzer Zeit neuartige Varaktoren mit planaren Kontaktanordnungen für Anwendungen im Höchstfrequenzbereich vorgeschlagen. So wird z.B. in [19] der Einsatz von speziellen Quantum-Barrier-Varaktordioden in NLTL untersucht und in [20] führt der Aufbau von Schottkydioden auf einem Vielschichthalbleiter auf GaAs-Basis, der eine hohe Elektronenbeweglichkeit aufweist, zu Grenzfrequenzen von bis zu 750 GHz. Der dabei verwendete Halbleiter weist in der InGaAs-Kanal-schicht eine Elektronenbeweglichkeit von ca. 6600 cm2/Vs bei Raumtemperatur auf.

Das Ziel dieser Arbeit ist daher die Entwicklung von nichtlinearen Leitungs-strukturen zur Erzeugung hochwertiger, ultrakurzer elektrischer Impulse. Diese Impulse sollen dabei die folgenden wesentlichen Eigenschaften aufweisen:

  1. Die Flanken bzw. Halbwertsbreiten der generierten und komprimierten Impulse sollen eine zeitliche Dauer von deutlich weniger als 5 ps und eine Spannungs-amplitude von etwa einem Volt aufweisen.
  2. Die Pulswiederholrate ist in einer Größenordnung von etwa 0,1-1 ns zu wählen, was einer Wiederholfrequenz von 1-10 GHz entspricht und somit dem Aufbau einer Zeitbereichsmeßtechnik mit entsprechend hoher Meßrate entgegen kommt.
  3. Insbesondere soll die erzeugte Impulsfolge, jeweils zwischen dem Auftreten der Impulsfronten, keine wesentlichen Nachschwingsignale aufweisen.

Für die Entwicklung derartiger Leitungen ist zunächst die Impulsgeneration und –Kompression auf NLTL, sowohl mit theoretischen als auch mit experimentellen Methoden systematisch zu untersuchen, um anschließend eine Optimierung der Leitungsstruktur und somit der Kompressionseigenschaften im Sinne der Ziel-setzung durchzuführen. Im einzelnen ergeben sich daraus folgende Schwerpunkte:

In den folgenden vier Kapiteln wird nun dargestellt, wie unter Berücksichtigung dieser Schwerpunkte die Entwicklung nichtlinearer Leitungen und die Erzeugung ultrakurzer elektrischer Impulse, entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit, erfolgt ist. Dazu wird zunächst im zweiten Kapitel der Aufbau und die Funktion mono-lithisch integrierter NLTL dargestellt. Wesentliche Diskussionspunkte stellen dabei die Nichtlinearität der NLTL, eine durch den periodischen Aufbau der Leitung superintegrierte Tiefpass-Filterstruktur, sowie die bei der Signalausbreitung auf-tretende Signaldämpfung dar. Des weiteren werden sowohl der Aufbau, als auch die Kapazitäts-Spannungs-Charakteristiken der im Rahmen dieser Arbeit in NLTL eingesetzten Dioden auf InP-HFET-Basis und von GaAs-Schottkydioden ausführlich erläutert.

Ausgehend von der Beschreibung der NLTL durch geeignete Ersatzschaltbilder wird im dritten Kapitel ein Simulationsmodell vorgestellt, das im Rahmen dieser Arbeit für die Beschreibung der Signalausbreitung auf NLTL bis in den Millimeter-wellenbereich entwickelt wurde. Das Modell beruht auf einer nichtlinearen Feldgleichung nach Art der Korteweg-de Vries-Gleichung [12], die im Zeitbereich numerisch gelöst wird. Mit Hilfe dieses Modells wird in Form von Beispiel-rechnungen die Erzeugung und Kompression von Impulsen auf NLTL ausführlich dargestellt, wobei insbesondere der Einfluß von Nichtlinearität, der superintegrierten Filterstruktur, sowie der Leitungsverluste, zum Teil getrennt und unabhängig voneinander, berücksichtigt sind. Einige wichtige Simulationsergebnisse zur Verbes-serung der Kompressionseigenschaften von NLTL werden dabei ferner mit Ergebnissen, die unter Anwendung eines zweiten Zeitbereichsverfahrens numerisch gewonnen wurden, verglichen. Zum Abschluß dieses Kapitels werden anschließend mit der Methode der parametrischen Verstärkung, dem Einsatz von resonanten Tunnel-dioden und einer als "sättigbarer Absorber" bezeichneten Nichtlinearität drei weitere Verfahren erläutert, deren Anwendung ebenfalls zu einer Verbesserung der Kompressionseigenschaften von NLTL führt.

Gegenstand des vierten Kapitels ist die Umsetzung der bis hier gewonnenen Ergebnisse in den technischen Entwurf und die Herstellung von NLTL auf GaAs-Basis und erstmalig auch auf InP-Basis. Dabei wird zunächst das Verfahren zur Erstellung eines geeigneten Leitungs-Layouts ausführlich beschrieben, um an-schließend die sich an technologischen Standartprozessen orientierte Herstellung von NLTL darzustellen.

Mit dem Ziel, die Generation und Kompression von Picosekundenimpulsen auf NLTL nachzuweisen, werden im fünften Kapitel die wesentlichen Ergebnisse systematischer experimenteller Untersuchungen an hergestellten NLTL aufgezeigt. Zunächst werden dabei die in den Leitungen zum Einsatz kommenden Dioden anhand ihrer Strom-Spannungs- und Kapazitäts-Spannungs-Kennlinien charakteri-siert. Anschließend werden die Ergebnisse von Messungen im Frequenz- und Zeitbereich dargestellt und mit entsprechenden numerisch berechneten Simulations-ergebnissen verglichen. Die dabei angewandten Methoden der Netzwerkanalyse, des elektrooptischen Meßverfahrens und eines im Rahmen dieser Arbeit ent-wickelten Feldsondenmeßplatzes werden ebenfalls ausführlich erläutert.

Im letzten Kapitel folgt eine Zusammenfassung aller wesentlichen Ergebnisse und ein kurzer Ausblick auf weitere technische Anwendungen des Konzeptes der NLTL.