(Lid-)Schluss mit der Furcht: Untersuchung der Interaktion zwischen Kleinhirn- und Amygdala-abhängigem Lernen in gesunden männlichen Probanden in Relation zur „Two-Stage Theory of Learning“
Angsterkrankungen gehen häufig mit pathologisch gesteigerten Furchtantworten und unzureichendem Extinktionslernen einher. Furchtantworten werden Amygdala- abhängig gelernt und können mithilfe einer Furchtkonditionierung untersucht wer- den. Extinktionslernen wird als ein eigener Lernvorgang verstanden, bei dem eine Vielzahl von neuronalen Strukturen involviert ist. Die „Two-stage theory of learning“ besagt, dass bei einer aversiven motorischen Lernaufgabe zunächst unspezifische Furchtantworten gelernt werden und erst in einem zweiten Schritt spezifische mo- torische Antworten. Es ist darüberhinaus postuliert worden, dass die gelernten mo- torischen Antworten über eine Inhibierung der Amygdala zu einer beschleunigten Extinktion der Furchtantworten führen.
Mithilfe der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob ein Kleinhirn-abhängiger motorischer Lernvorgang die Extinktion von Furchtantworten verbessern kann, in diesem Fall mithilfe einer Blinkreflexkonditionierung. Insgesamt wurden an zwei Ta- gen 100 männliche, gesunde Probanden in fünf verschiedenen Versuchsgruppen untersucht. Der erste Versuchstag diente der Akquisition, der zweite Tag der Extink- tion der Furcht- und Blinkreflexantworten. Bei drei der fünf Gruppen erfolgte initial eine Furchtkonditionierung gefolgt von einer Blinkreflexkonditionierung. Am zweiten Versuchstag erfolgte in diesen Gruppen dann die gemeinsame Extinktion der ge- lernten Furcht- und Blinkreflexantworten, dabei war die Reihenfolge je nach Gruppe unterschiedlich: In der ersten Gruppe wurden die Furcht- und Blinkreflexantworten gleichzeitig extingiert, in der zweiten Gruppe erfolgte die Extinktion abwechselnd. Die dritte Gruppe absolvierte zunächst die Extinktion der Furchtantworten und erst im Anschluss daran die Extinktion der Blinkreflexantworten. In je einer Gruppe wurde ausschließlich eine Furcht- oder Blinkreflexkonditionierung durchgeführt.
Es konnte keine Verbesserung der Extinktion von Furchtantworten beobachtet werden. Die Probanden zeigten aber eine gesteigerte Furchtantwort am Anfang der Extinktionsphase, sofern zuvor eine Blinkreflexkonditionierung erfolgte. Die Furcht- konditionierung hatte zudem einen erleichternden Effekt auf die Blinkreflexkonditio- nierung. Die Blinkreflexantworten traten schneller auf und dauerten länger an. Zu- dem persistierten sie länger während der Extinktionsphase. Die Ergebnisse sind mit der „sensory gating“ Theorie vereinbar, nach der die Amygdala die Salienz eines Sti- mulus moduliert, jedoch nicht mit der zweistufigen Lerntheorie. Die Studie gibt aktu- ell keinen Hinweis darauf, dass man mithilfe von Kleinhirn-abhängigem motorischen Lernen die Extinktion von Furchtantworten verbessern könnte. Ob motorisches Ler- nen trotzdem ein mögliches therapeutisches Mittel bei angstbedingten Störungen sein könnte, muss weiter untersucht werden.