Das MDG-Projekt in der Krise : Halbzeitbilanz und Zukunftsperspektiven

Die Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs) sind seit ihrer Proklamation im Jahr 2000 zum Leitmotiv der internationalen Entwicklungspolitik avanciert. Mit ihnen richtete sich der entwicklungspolitische Diskurs von Regierungen und internationalen Organisationen auf die Bekämpfung der extremsten Formen von Armut und Hunger sowie die soziale Grundversorgung der Bevölkerung, insbesondere in den Bereichen Grundbildung, Gesundheit und Wasserversorgung. Die meisten MDGs sind mit klaren quantitativen, und damit überprüfbaren Zielvorgaben verbunden, die überwiegend bis zum Jahr 2015 erreicht werden sollen.

In den vergangenen Jahren haben sich die MDGs als gleichermaßen öffentlichkeitswirksames wie kampagnentaugliches Instrument erwiesen und eine beachtliche politische Mobilisierungswirkung entfaltet. Dies zeigten z. B. die beiden vom britischen Premierminister Gordon Brown im Juli 2007 initiierten Erklärungen zur Unterstützung der MDGs, die von 22 Staats‐ und Regierungschefs, darunter auch der Bundeskanzlerin Angela Merkel, sowie von 21 Unternehmensführern unterzeichnet wurden (Commission of the European Communities 2008: 13). Sie konstatierten zur Halbzeit der MDGs, dass die Welt bei der Verwirklichung der Ziele „nicht auf dem richtigen Weg“ sei. Ihre Schlussfolgerung:

„We need urgent action to meet this development emergency if the world is to get back on track.“

Zu diesem Zweck riefen sie zu einem Gipfeltreffen von Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf. UN‐Generalsekretär Ban Kimoon griff die Initiative auf und lud zu einem High‐level Event on the MDGs am 25. September 2008 nach New York ein. Die Teilnehmer dieses Treffens sind dort allerdings nicht nur mit den Defiziten bei der Umsetzung der Ziele konfrontiert. Die Auseinandersetzung über die MDGs ist geprägt von grundsätzlichen Kontroversen über die Erreichbarkeit der Ziele, über ihre Methodik, über die Strategien ihrer Verwirklichung sowie über ihren Stellenwert innerhalb eines ganzheitlichen Entwicklungsansatzes.

Zusätzliche Brisanz erhalten diese Auseinandersetzungen durch die revidierten Armutsstatistiken der Weltbank. Nach den neuen Kalkulationen liegt die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, bei 1,4 Milliarden, und ist damit um über 400 Millionen höher als bisher angenommen (World Bank 2008b). Mit dieser Neuberechnung wird die Halbzeitbilanz ernüchternder, die Brüchigkeit der bisherigen Datenlage ist in besonderer Weise deutlich geworden. Kurz: Das MDG‐Projekt steckt in der Krise. Vor diesem Hintergrund müssen sowohl die Agenda für die zweite Halbzeit auf dem Weg zu den 2015‐Zielen als auch alle Post‐2015‐Strategien die politischen, die konzeptionellen und die methodischen Herausforderungen bei der Realisierung der MDGs berücksichtigen.

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