Knappes Wasser, reichlich Konflikte? : Lokale Wasserkonflikte und die Rolle der Entwicklungsarbeit
Die zunehmende Wasserknappheit bei steigendem Bedarf und weiterhin ungenügendem Management der Ressource führt zu erhöhter Verteilungskonkurrenz. Da nur in wenigen Fällen durch technische Maßnahmen nennenswerte zusätzliche Wassermengen zugänglich gemacht werden können, liegt der politische Handlungsspielraum vor allem in einer Umgestaltung der Nachfrage. Hierdurch entstehen teilweise konfliktträchtige Entscheidungen für und gegen die Förderung bestimmter Wirtschaftssektoren, Regionen und Bevölkerungsgruppen. Diese Konfliktpotentiale drohen vor allem bei gleichzeitiger sozialer, ökonomischer, politischer oder anderweitiger Benachteiligung der betroffenen Gruppen, zu eskalieren. Immer stärker ist die Gestaltung von Wassermanagement daher mit Fragen der sozialen (Verteilungs‐)gerechtigkeit und der politischen Legitimität konfrontiert.
Die Verteilung der Ressource spiegelt vor allem in wasserarmen Ländern häufig soziale, politische und ökonomische Ungleichheiten wider. Machtpolitische Interessen können gerade in Zeiten erhöhter Verteilungskonkurrenz um die Ressource diese Ungleichheiten verschärfen und sind damit wesentlich für die Entstehung oder die Eskalation von Konflikten verantwortlich. Die innerstaatliche Ebene ist besonders von möglichen Konflikten betroffen, da – speziell in agrargeprägten Ländern‐ hier der Einfluss in Politik und Gesellschaft häufig mit dem Zugang zu Wasser verbunden ist. Insbesondere lukrative Exportprodukte der Landwirtschaft lassen sich nur mit ausreichenden Wasserressourcen anbauen, und auch Investitionen im Tourismussektor sind eng hiermit verbunden.
Auch die urbane Wasserverteilung spiegelt vor allem in Entwicklungsländern häufig soziale Ungleichheiten wider, beispielsweise zwischen reichen und armen Stadtvierteln. Dadurch können Restriktion im Zugang zur Ressource direkte soziale und politische Auswirkungen haben, wie es Auseinandersetzungen im Kontext der Preiserhöhung von Trinkwasserservice gezeigt haben. Auch die Politisierung der Konkurrenz um die Ressource trifft Entwicklungsländer wegen ihrer häufig geringeren Anpassungskapazitäten stärker. Die hohe Abhängigkeit vieler Wirtschaftszweige und der Subsistenzlandwirtschaft von der Ressource, mangelnde soziale Sicherheit der Bevölkerung und Defizite des Rechtsstaates können Auseinandersetzungen hier verschärfen. Aber auch in wasserarmen Gebieten der 2 europäischen Mittelmeerländer ist ein Anstieg der Konfliktpotentiale durch wachsende Verteilungskonkurrenz zu beobachten. Ein Beispiel ist die südspanische Region von Almeria, wo die Interessen der Landwirtschaft und der Tourismusindustrie in heftigem Wettbewerb stehen. Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels auf die Ressource und der weiter steigenden Wassernachfrage wird sich die Nutzerkonkurrenz künftig weiter verschärfen. Dies erfordert dringend eine Debatte über innerstaatliche Konfliktpotentiale und Perspektiven der Kooperation. Spezielle Herausforderungen ergeben sich dabei für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ), die durch Projekte und Politikberatung direkt und indirekt in diesem Sektor involviert ist.
Der Policy Brief fasst im ersten Teil Gründe der Entstehung innerstaatlicher Wasserkonflikte zusammen und macht auf die besonderen Herausforderungen für die Entwicklungszusammenarbeit aufmerksam. Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht eine Typologie möglicher Wasserkonflikte, die die wesentlichen beteiligten Akteure identifiziert und spezifische Lösungsansätze skizziert. Das dritte Kapitel geht abschließend auf allgemeine Handlungsoptionen der Entwicklungszusammenarbeit zur verbesserten Konfliktprävention im Wasserbereich ein.