In der vorliegenden Arbeit wurden in einer Gruppe von 180 jungen, gesunden Probanden und Probandinnen auf Geschlechterunterschiede in Prädiktoren und Parametern der viszeralen Sensitivität untersucht. Hierfür wurden an einem Versuchstag Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen sowie Schmerz- und Stuhldrangbewertungen mithilfe rektaler Ballondilatationsmessungen bestimmt. Am Versuchstag wurden zu Beginn des Tages, nach Bestimmung der Schwellenwerte und nach Erfassung der Schmerz- und Stuhldrangbewertungen die Zustandsangst mittels Fragebogen und Speichelcortisolspiegel als Indikatoren des akuten Angst- und Stresserlebens erfasst. Im Vorfeld des Studientages wurden gastrointestinale Symptome im Alltag anhand eines Tagebuchs über 4 Wochen im wöchentlichen Abstand erfasst. Parallel wurde die Cortisolaufwachreaktion anhand von Speichelproben als Indikator für chronischen Stress gemessen. Mittels einer umfassenden Fragebogenbatterie wurden psychologische Merkmale einschließlich Angst- und Depressionssymptome, Persönlichkeitsmerkmale wie Ängstlichkeit und Neurotizismus sowie Copingstrategien dokumentiert. Die Ergebnisse zeigten bei Probandinnen signifikant höhere Stuhldrangbewertungen der rektalen Ballondilatationen im Vergleich zu Probanden. Anhand von paarweisen Korrelationsanalysen wurden signifikante Variablen für die Durchführung von schrittweisen multiplen Regressionsanalysen identifiziert. Als signifikante Prädiktoren für Parameter der viszeralen Sensitivität konnten bei Probandinnen eine erhöhte Ängstlichkeit sowie das Ausmaß gastrointestinaler Alltagssymptomen identifiziert werden, während bei Probanden adaptives Coping und chronischer Stress signifikante Prädiktoren waren. Die beobachteten geschlechterabhängigen Unterschiede in Markern und Prädiktoren der viszeralen Sensitivität geben Hinweise für weiterführende Untersuchungen zur geschlechterspezifischen Pathogenese funktioneller Erkrankungen im Rahmen der Hirn-Darm-Achse.