Fe-, Al- und P-haltige Flammhemmer in Alkanen und Polymeren : von der Diffusion über die Verdampfung zur Pyrolyse und Verbrennung

Der Einsatz von aliphatischen Polymeren wie zum Beispiel Polyethylen oder -propylen erfreut sich trotz ihrer hohen Brennbarkeit in vielen Lebensbereichen einer hohen Beliebtheit. Diese Omnipräsenz ist trotz der hohen Brandgefahr dem Einsatz von Flammschutzmitteln zu verdanken, die in der Vergangenheit hauptsächlich auf Halogenverbindungen basierten. Halogenverbindungen können bei der Verbrennung jedoch giftige und umweltschädliche Substanzen auf Basis von Chlor oder Brom freisetzen. Gegenwärtig wird vermehrt auf umweltfreundlichere Alternativen bezüglich des Flammschutzmittels zurückgegriffen, die auf Metallen oder Elementen wie Phosphor basieren. Solche Additive zeigen ebenfalls vielversprechende flammhemmende Effekte, deren Wirkungsweisen allerdings in weiten Teilen noch nicht vollständig verstanden sind. Flammhemmer wirken meist, indem sie verhindern, dass die für Verbrennungsprozesse essenziellen, wärmefreisetzenden und selbsterhaltenden Kettenreaktionen ablaufen können. Es ist oft unklar, ob die Flammhemmung auf einem Gasphasenmechanismus beruht oder ob der Effekt sich bereits in der kondensierten Phase des Polymers ereignet. In dieser Arbeit wird ein Einblick in die Wirkungsweise dieser „grünen“ alternativen Flammschutzmittel auf Metall- oder Phosphorbasis gegeben und mögliche Methoden zur Analyse solcher vorgestellt.

Zunächst muss das im Polymer eingearbeitete Additiv an die brennende Oberfläche gelangen, um von dort entweder in die Gasphase überzugehen oder um den Kohlenwasserstoffverbund durch chemische Reaktionen in der kondensierten Phase zu schützen. Diese Transportprozesse stellen einen wichtigen Schritt zum allgemeinen Verständnis der Flammhemmung dar. In dieser Arbeit werden daher mittels der Methode der isothermen Thermogravimetrie (TGA) sowohl Aktivitäts- als auch Diffusionskoeffizienten in binären Gemischen bestimmt, bei denen der Dampfdruck hauptsächlich vom Additiv dominiert wird. Die Kombination der unterschiedlichen Prozesse aus Verdampfung und Stoffdiffusion in einem Gemisch führt zu einem instationären Massenverlust, der von den Aktivitätskoeffizienten und von den Diffusionskoeffizienten der Gas- bzw. der kondensierten Phase abhängt. Mit der hier vorgestellten neuen Methode lassen sich bei bekanntem Gasphasendiffusionskoeffizienten sowohl der Aktivitätskoeffizient als auch der binäre Diffusionskoeffizient in der kondensierten Phase simultan als Funktion der Temperatur bestimmen. In der Praxis existieren allerdings sehr viele verschiedene Polymer/Flammhemmer-Systeme. Daher wird in dieser Arbeit das Konzept zur Bestimmung der physikalischen Verdampfungs- und Transportparameter explizit für das Modellsystem Ferrocen/n-Tetracosan getestet. Das Metallocen soll dabei ein Flammschutzmittel repräsentieren und das langkettige Alkan wird als simplifizierter Ersatz für ein Polymer herangezogen. Für den untersuchten Temperaturbereich zwischen 343 und 398 K ergibt sich für 343 K ein Aktivitätskoeffizient für Ferrocen von über 3, der mit zunehmender Temperatur auf einen Wert von nahe 1 abfällt. Der Diffusionskoeffizient zeigt eine schwache Temperaturabhängigkeit mit Werten im Bereich von ca. 2 × 10-9 m2 s-1. Darüber hinaus wurden die bereits bekannten Dampfdrücke der beiden Reinsubstanzen für diesen Temperaturbereich erneut gemessen. Im Allgemeinen hat sich diese Methode zur Bestimmung von physikalischen Parametern wie Aktivitäts- und Diffusionskoeffizienten als vielversprechend für dieses System erwiesen und zeigt Potenzial auch künftig für die Bestimmung der Transporteigenschaften anderer unbekannter Polymer/Flammhemmer-Systeme gut geeignet zu sein.

Zum Einblick in die Wirkungsweise von Flammhemmern in Polymeren wurde das Pyrolyseverhalten in dieser Arbeit konkret für das System bestehend aus ultrahochmolekularem Polyethylen (UHMWPE) und Aluminiumdiethylphosphinat (AlPi) mittels Molekularstrahl-Massenspektrometrie (MBMS) unter isothermen Bedingungen untersucht. Der Wechsel des Modellsystems von n-Tetracosan auf ein „echtes“ Polymer war hier notwendig, um realitätsnahe Bedingungen für einen Flammhemmer im Einsatz zu realisieren. Die relativ komplizierten Polymer-Pyrolysemechanismen spielen für die Wirkungsweise von Flammhemmern eine tragende Rolle. Metallphosphinate wie AlPi stellen eine neue vielversprechende Art von Flammschutzmitteln dar, deren Wirkungsweisen sowohl in der Gas- als auch in der kondensierten Phase noch sehr schlecht untersucht sind.

Die Pyrolyseexperimente erfolgten hierbei systematisch, indem die jeweiligen Reinstoffe zunächst einzeln untersucht wurden, bevor anschließend Experimente der Gemische mit unterschiedlichen Additivmengen durchgeführt wurden. Das Ziel dieser Untersuchung war es, phosphorhaltige Spezies in der Gasphase nachzuweisen. Die Experimente zeigen, dass offensichtlich das Hauptzersetzungsprodukt von AlPi durch die Diethylphosphinsäure gegeben ist, welche anschließend zu leichteren Spezies abgebaut werden kann oder Dimere mit doppelter molarer Masse bildet. Im Gemisch wird der AlPi-Zerfall zwar durch das Polymer in der kondensierten Phase beeinflusst, aber die meisten für eine flammhemmende Wirkung verantwortlichen Spezies sind dennoch in der Gasphase vorhanden.

In einem weiteren Schritt wurde ergänzend die thermische Zersetzung des Flammhemmers als Funktion der Heizrate untersucht. Letzteres sollte einen näheren Bezug zu der üblicherweise jedem Polymerbrand vorhergehenden Pyrolyse des Polymers in realen Brandszenarien herstellen. Zu diesem Zweck wurde zum einen die Schnellpyrolyse von AlPi mittels der Methode der differentiellen massenspektrometrischen Thermoanalyse (DMSTA) untersucht und zum anderen wurden TGA-Experimente bei moderaten Heizraten durchgeführt. Die Gasphasenentwicklung von AlPi bei niedrigeren Heizraten (TGA) erfolgt durch eine Kombination von Prozessen wie Verdampfung und thermischer Zersetzung, während bei der Schnellpyrolyse das Flammschutzmittel hauptsächlich aufgrund einer höheren Pyrolyse-Starttemperatur von T > 500 °C zersetzt wird. Dabei werden gasförmige, phosphorhaltige Produkte wie zum Beispiel Diethylphosphinsäure freigesetzt.

Neben der reinen Pyrolyse wurde der Abbrand von Polyethylen in kerzenähnlichen Diffusionsflammen als Funktion des Additivgehaltes untersucht. Zunächst ergibt sich aus der Bestimmung des Sauerstoffindex (engl. LOI = Limiting Oxygen Index) die Tatsache, dass ab einer Additivmenge von ≥ 10 Gew.-% sich das Polymer unter Umgebungsbedingungen nicht mehr entzünden lässt. Geringere Mengen hingegen erlauben trotz der Flammhemmerbeteiligung das Ausbilden einer selbsterhaltenden Flamme. Mittels Thermometrie und der Aufnahme von ortsaufgelösten 1D-Temperaturprofilen unter dem Einsatz eines Mikrothermoelements konnte festgestellt werden, dass ein AlPi-Anteil von lediglich 2,5 Gew.-% bereits einen signifikanten Einfluss auf die Flammentemperatur hat. Im Vergleich zu den flammhemmerfreien Experimenten reduziert sich hier die Temperatur der Flamme um bis zu 155 K. Aufgrund der massenspektrometrischen Untersuchungen und der Aufnahme von ortsaufgelösten, eindimensionalen Speziesprofilen konnten entlang der Flammenachse diverse phosphorhaltige Spezies nachgewiesen werden, was eventuell die erwähnte Absenkung der Flammentemperatur erklären könnte. Dem AlPi kann somit in Verbindung mit Polyethylen eine mögliche Gasphasenaktivität zugeschrieben werden.

In dieser Arbeit werden verschiedene Aspekte der Flammhemmung beleuchtet. Zunächst wird eine Methode vorgestellt, die es erlaubt den Transport des Flammhemmers aus dem Polymer in die Gasphase zu untersuchen. Das ist wichtig, um nachvollziehen zu können, wie schnell ein Flammschutzmittel im Brandfall das zu schützende Material verlässt. In der Praxis könnten aus diesen Erkenntnissen Zeitparameter abgeleitet werden, über die sich abschätzen ließen, wie lange das jeweilige Polymer in Gefahrensituationen einem Flammschutz unterliegen würde. Auch Alterungsprozesse, die mit einer Verflüchtigung des Flammhemmers einhergehen (sog. Ausbluten), können mitberücksichtigt werden und es lässt sich abschätzen, über welchen Zeitraum ein Polymer effektiv flammgeschützt ist.

Die Methoden zur Gasphasenuntersuchung von Flammhemmern in dieser Arbeit sind wegweisend, um feststellen zu können, welche Substanzen in der Gasphase für den inhibierenden Effekt verantwortlich sind. Nur über ein solches Verständnis lassen sich gezielt Flammhemmer für individuelle Einsatzbereiche designen, was letztendlich den bestmöglichen Brandschutz und ein hohes Maß an Sicherheit bei der Verwendung von Polymeren garantiert.

The use of aliphatic polymers such as polyethylene or polypropylene is very popular, despite their high flammability in almost all areas. Their omnipresence, despite their fire hazard, is due to the use of flame-retardants, which in the past were mainly based on toxic and environmentally harmful halogen compounds based on chlorine or bromine. Nowadays, more environmentally friendly alternatives based on metals or elements like phosphorus are increasingly being used for flame retardancy. Such additives show promising flame-retardant effects, although their modes of action are not yet fully understood to a large extent.

Flame retardants usually act by preventing the self-sustaining and heat-releasing chain reactions, which are essential to combustion processes. It is often unclear if the flame inhibition is based on a gas-phase mechanism or whether the actual effect of suppressing occurs already in the condensed phase of the polymer. In this work, an insight into the mode of action of such metal- and phosphorus-based "green" flame retardant alternatives is provided.

First, the additive embedded in the polymer must reach the burning surface in order to either vaporize into the gaseous phase or to protect the material by chemical reactions in the condensed phase. These transport processes represent an important step in the overall understanding of flame retardancy. In this work, isothermal thermogravimetry (TGA) method is used to investigate both activity and diffusion coefficients in binary mixtures where the vapor pressure is mainly dominated by the additive. The combination of the different processes, evaporation and mass diffusion in a mixture leads to a transient mass loss, which depends on the activity coefficients and the diffusion coefficients in the gas and condensed phase, respectively. The novel method presented here allows to determine simultaneously both the activity coefficients and the binary diffusion coefficients of the condensed phase as a function of temperature if the gas phase diffusion coefficient is already known. In practice, however, many different polymer/flame retardant systems exist. Therefore, in this work, the concept for determining the physical evaporation and transport parameters is explicitly tested for the model system ferrocene/n-tetracosane. The metallocene is intended to represent a flame retardant and the long-chained alkane is used as a simplified substituent for a polymer. For the temperature range studied, between 343 and 398 K, the activity coefficient for ferrocene is above 3 for 343 K, decreasing to a value close to 1 with increasing temperature. The diffusion coefficient, instead, shows a weak temperature dependence, with values of approximately 2 × 10-9 m2 s-1. In addition, the vapor or sublimation pressures of the two neat substances were re-evaluated for this temperature range. In general, this relatively simple method for determining physical parameters such as activity and diffusion coefficients has proven to be useful for this system and shows potential to be applied in the future for determining the transport properties of other polymer/flame retardant systems.

To gain insight into the mode of action of flame retardants in polymers, the pyrolysis behavior in this work was specifically investigated for the system consisting of ultra-high molecular weight polyethylene (UHMWPE) and aluminum diethyl phosphinate (AlPi) using molecular beam mass spectrometry (MBMS) under isothermal conditions. Changing the model system from n-tetracosane to a "real" polymer was necessary here to realize realistic conditions for a flame retardant in use. The relatively complicated polymer pyrolysis-mechanisms play a key role in the mode of action of flame retardants. Metal phosphinates such as AlPi represent a promising new type of flame retardant whose mode of action in both the gas and condensed phase is still very poorly understood. The pyrolysis experiments were performed systematically by first investigating the respective neat substances separately before experiments of the mixtures with different amounts of additive were conducted. The main objective of this study was to detect phosphorus-containing species in the gas phase. These experiments show that apparently the main decomposition product of AlPi is given by diethylphosphinic acid, which can be subsequently degraded to lighter species or form dimers with twice the molar mass. In the mixture, the decomposition of AlPi is affected by the presence of the polymer in the condensed phase, but most of the species that have the potential to be responsible for flame retardant activities are still present in the gas phase. In an additional step, besides the isothermally conducted experiments, the thermal decomposition of the flame retardant was investigated under an imposed heating rate. The latter was intended to provide a closer connection to the pyrolysis preceding each polymer combustion in real fire scenarios. For this purpose, the flash pyrolysis of AlPi was investigated by means of the differential mass spectrometric thermal analysis (DMSTA) method. In addition, TGA experiments were performed at moderate heating rates. Gas phase development of AlPi at lower heating rates (TGA) occurs through a combination of evaporation and thermal decomposition, whereas in flash pyrolysis the flame retardant is primarily decomposed as a result of a higher pyrolysis starting temperature of T > 500 °C. Gaseous phosphorus-containing products are released during this process, such as diethylphosphinic acid.

In addition to pyrolysis, the combustion of polyethylene in candle-like diffusion flames as a function of additive content was also investigated. First, the determination of the limiting oxygen index (LOI) reveals that from an additive quantity of ≥ 10 wt.-%, the polymer can no longer be ignited under ambient conditions. Smaller amounts allow the formation of a self-sustaining flame despite the presence of a flame retardant. By means of thermometry and the recording of spatially resolved 1D temperature profiles using a micro thermocouple, it was found that an AlPi content of only 2.5 wt.-% already has a significant influence on the flame temperature. Compared to the flame retardant-free experiments, the temperature of the flame is reduced by up to 155 K. Based on the additional mass spectrometric investigation and the recording of one-dimensional species profiles with spatial resolution, various phosphorus-containing species were detected along the flame axis. These results could possibly explain the aforementioned reduction in the flame temperature and thus AlPi can be attributed a possible gas phase activity in conjunction with polyethylene.

In this work, various aspects of flame retardancy are highlighted. First, a method is presented that allows investigations with respect to the transport of the flame-retardant additive from the condensed phase of the polymer into the gas phase. It is important to understand how fast a retardant leaves the protected material during a fire. In practice, these findings could be helpful to derive time parameters to estimate the duration in that the polymer would be subjected to flame retardancy in hazardous situations. Aging processes associated with volatilization of the flame retardant (so-called bleeding) can also be taken into account, and it is possible to estimate the time period over which a polymer is effectively protected.

The presented methods for the gas-phase investigations of flame retardants in this work are groundbreaking in identifying which substances in the gas phase are responsible for the inhibiting effect. Only through such an understanding can flame retardants be specifically for individual applications, guaranteeing the best possible fire protection and a high level of safety in the use of polymers.

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