Die Synthese und Anreicherung kompatibler Solute ist eine erfolgreiche Strategie zur Anpassung von Mikroorganismen, um auf verschiedene Stress- und Umweltfaktoren zu reagieren oder um in extremen Habitaten überleben zu können. Die schützenden Eigenschaften, die kompatible Solute auf biologische Makromoleküle ausüben, sind nach wie vor ein relevantes Forschungsfeld und sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Eines der in der Natur am weitesten verbreitetsten kompatiblen Solute ist das Disaccharid Trehalose. Die jeweiligen Biosynthesewege und beteiligten Enzyme wurden in einer Vielzahl von Mikroorganismen untersucht, dennoch sind die Regulationsmechanismen und physiologischen Funktionen häufig nicht bekannt. Das trifft auch für das thermoacidophile Crenarchaeon Sulfolobus acidocaldarius zu, obwohl es zu den am besten untersuchten Archaeen gehört, ist über die Trehalose Biosynthese und seine Bedeutung für diesen Organismus nur wenig bekannt. Daher wurde in Kapitel 3.1 eine umfassende Studie zum Trehalose Metabolismus in S. acidocaldarius durchgeführt. Dazu wurden Gendeletionsmutanten, Wachstumsstudien, Bioinformatik und Transkriptionsanalyse mittels qRT-PCR durchgeführt. Die Untersuchung von verschiedenen Deletionsmutanten, der bereits bekannten oder vorhergesagten Trehalose Biosynthesewegen (ΔtreY oder ΔtreT und ΔtreY / ΔtreT) zeigte, dass nach wie vor Trehalose gebildet werden kann. Diese Ergebnisse lieferten die nötigen Hinweise auf einen weiteren bislang noch unbekannten Syntheseweg. Eine umfassende bioinformatische Analyse ergab einen neuartigen TPS/TPP-Biosyntheseweg für Trehalose. Der neu identifizierte Syntheseweg besteht aus einer TPS (Trehalose-6P-Synthase) der GT4-Enzymfamilie, sowie einer putativen TPP (Trehalose-6P-Phosphatase) der HAD-Enzymfamilie (Haloacid-Dehalogenase-Familie), beide Enzyme zeigen keine Ähnlichkeit zu den klassischen bereits charakterisierten Enzymen. Darüber hinaus konnte die physiologische Funktion von Trehalose als Reaktion auf Salzstress gezeigt werden, dementsprechend zeigten salzgestresste Wildtypzellen (250 mM NaCl) eine 12-fach erhöhte Trehaloseakkumulation, wohingegen bei Kälte- und Hitzeschock (65 ° C und 83 ° C) keine Auswirkung auf die Trehalose Biosynthese beobachtet werden konnte. Die Induktion der einzelnen Trehalose Synthesewege wurde auf Transkriptionsebene mittels qRT-PCR analysiert und zusätzlich wurden die Aktivitäten der einzelnen Biosynthesewege im Rohextrakt von salzgestressten Zellen bestätigt. Zusammenfassend tragen die Ergebnisse dieser Studie zur Aufklärung der Komplexität des Trehalose Metabolismus in S. acidocaldarius bei und zeigen erstmals die Funktion von Trehalose als kompatibles Solut unter Salzstress. An der biotechnologischen Anwendung von kompatiblen Soluten besteht ein erhebliches industrielles Interesse. Die Übertragung der protektiven Eigenschaften auf andere Biomoleküle ist ein vielversprechender Ansatz in der medizinischen, kosmetischen und pharmazeutischen Forschung. Insbesondere Extremolyte, kompatible Solute aus extremophilenMikroorganismen, bieten erhebliches industrielles und biotechnologisches Potenzial. Die Vielfalt der bekannten Extremolyte hat zugenommen, da in der Vergangenheit mehr (hyper)thermophile Archaeen untersucht wurden, dennoch bleibt in den meisten Fällen das Potenzial völlig ungenutzt.
In Kapitel 3.2 wurde die in vitro Produktion des Extremolyt cDPG (cyclisches 2,3-Diphosphoglycerat) eingehend untersucht. Obwohl der Syntheseweg und die schützenden Eigenschaften von cDPG bereits untersucht wurden und es damit ein hohes Potenzial für industrielle Anwendungen besitzt, konnte weder ein effizienter Produktionsstamm oder Prozess etabliert werden. Dies ist auf die geringe Zellausbeute und die schwierigen Kultivierungsbedingungen von Methanogenen unter Ausschluss von Sauerstoff und extrem hohen Temperaturen zurückzuführen, die eine in vivo Ganzzellbiotransformation erheblich behindern und zu niedrigen Produktausbeuten führen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zum ersten Mal ein vielversprechendes in vitro Verfahren mit Hilfe eines einzigen Katalyse Schritts durchgeführt. Für dieses Verfahren wurde ein optimiertes Expressions- und Reinigungsprotokoll unter Verwendung der codon-optimierten cDPGS aus Methanothermus fervidus entwickelt. Dadurch konnte die Ausbeute der rekombinantem cDPGS signifikant verbessert werden, das Enzym konnte für die Anwendung und Lagerung ausreichend stabilisiert werden und schließlich konnte die vollständige Umwandlung vom Substrat in Produkt erreicht werden. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage zur Entwicklung der enzymatischen Produktion von cDPG in größerem Maßstab, um die Anwendung zu ermöglichen. Neben der biotechnologischen Relevanz von Extremolyten bieten auch extremophile Mikroorganismen und ihre besonders stabilen Enzyme eine vorteilhafte Quelle für Biotransformation unter industriellen Bedingungen. Insbesondere die Umwandlung von lignocellulose-haltiger Biomasse und anderen polymeren Substraten ist von erheblicher Bedeutung.
In Kapitel 3.3 wurde ein mehrschichtiger Ansatz verwendet, um neuartige Organismen und Enzyme aus extremen Umgebungen zu identifizieren, die zum Polymerabbau fähig sind. Dazu wurden eine In-situ-Anreicherungsstrategie, Genomik und vergleichende Genomik, sowie die Klonierung, Expression und biochemische Charakterisierung neuartiger Enzyme durchgeführt. Mit Hilfe dieser Strategie wurde ein neues Xylan abbauendes hyperthermophiles Euryarchaeon isoliert, Thermococcus sp. Stamm 2319x1. Innerhalb des Genoms wurde eine neuartige Glycosidase mit einer einzigartigen Fünf-Domänen-Struktur identifiziert. Diese Multidomänen-Glycosidase (MDG) besteht aus drei Glycosidhydrolase (GH) -Domänen und zwei Kohlenhydratbindungsmodulen (CBM) (GH5-12-12-CBM2-2 N-zu-C-terminus). Das Protein voller Länge, sowie mehrere verkürzte Versionen wurden detailliert analysiert. Die MDG ist in der Lage verschiedene Polysaccharide zu hydrolysieren, die höchsten Aktivität wurden für Gersten-β-Glucan (β-1,3/1,4-Glucosid) und CMC (β-1,4-Glucosid) gemessen, gefolgt von Cellooligosacchariden und Galactomannan. Die Ergebnisse zeigen, dass diemodulare MDG-Struktur mit mehreren GH- und CBM-Domänen nicht nur das Substratspektrum erweitert, sondern auch den prozessiven Abbau von teilweise löslichen und unlöslichen Polymeren ermöglicht. Die MDG inklusive der verkürzten Versionen bietet eine innovative Quelle für den Polymerabbau in industriellen Prozessen.