Bildungsentscheidungen von türkischen Migranteneltern : das Zusammenspiel von Transparenz über das Bildungssystem in NRW und ethnischen sowie bildungsrelevanten Faktoren in Zusammenhang mit dem Übergangsverhalten am Ende der Grundschulzeit

Die vorliegende Untersuchung setzt sich mit dem Übergangsverhalten der türkischen Migranteneltern am Übergang Grundschule – Sekundarstufe I auseinander. Dabei richtet sich der Fokus auf das Zusammenspiel von Informiertheit der Eltern über das deutsche Schulsystem in NRW und ethnischen sowie bildungsrelevanten Faktoren. Die Bildungsaspiration wird in diesem Kontext ebenso in den Blick genommen. Dazu wurden im Rahmen einer qualitativen Studie 15 Familien mit ihren 16 Kindern anhand eines Leitfadeninterviews befragt. Zur Auswertung der Daten wurde die Methode des thematischen Kodierens nach Flick (1995/2010) hinzugezogen. In den Gruppenvergleichen nach Wahl der Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule) wurden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu verschiedenen thematischen Bereichen herausgearbeitet. Dabei ließ sich feststellen, dass der überwiegende Teil der Fälle eine Haupt- oder Realschulempfehlung erhalten hat. Insgesamt betrachtet hat sich die Hälfte der türkischen Eltern an die Empfehlung (vor allem an die Hauptschulempfehlungen) gehalten. Die Begründungen für die jeweiligen Schulformentscheidungen beziehen sich häufig auf die elterlichen Beurteilungen der kindlichen Kompetenzen sowie auf den Leistungsstand. Auffällig ist zudem die vermehrte Entscheidung für dieselbe Schulform, die von Geschwisterkindern besucht wird, wobei das bei Gymnasialentscheidungen am häufigsten vorkommt. Die Eltern, die sich für das Gymnasium oder die Realschule entschieden haben, scheinen mit den Regelungen und Abläufen im schulischen Prozess eher vertraut und besser informiert zu sein, sodass sie eine deutlichere Vorstellung darüber haben, auf welchem Wege die Bildungsaspirationen realisiert werden können. Um die Informiertheit der Familien sowie das mögliche Zusammenspiel mit bildungsrelevanten und ethnischen Faktoren näher zu beleuchten, wurden im nächsten Schritt unabhängig von dem gewählten Schultyp, drei Familientypen gebildet. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Wissen der Eltern zum Schulsystem. Je nachdem, in welchem weiteren Themengebiet die jeweiligen Fälle sich überwiegend haben finden lassen, wurde ein stärkeres Zusammenspiel sichtbar. Es wurde deutlich, dass vor allem in gering informierten Familien vorhandene ethnische Bedingungen als möglicher Einflussfaktor eine größere Rolle spielen. Weitere Auffälligkeit für diesen Familientyp ist die überwiegende Entscheidung für die Haupt- sowie Gesamtschule. Werden diese Familien näher betrachtet, fällt auf, dass die Wahl für die Gesamtschule, zum Teil trotz einer Realschulempfehlung, eher von Unsicherheiten geprägt ist. Zurückhaltende Äußerungen zu Abschlusswünschen oder die hohe Bildungsaspiration hinsichtlich des tertiären Bildungsbereichs trotz eines vergleichbar niedrigen Abschlusswunsches sind neben anderen Indizien zusätzliche Anhaltspunkte für den bestehenden Informations- und Aufklärungsbedarf in diesen Familien. Dies soll ein Appell an Forschung und Politik darstellen, einerseits die Informiertheit der Eltern anhand geeigneter Instrumente direkt zu messen sowie die Signifikanz der möglichen Zusammenhänge zu untersuchen. Andererseits sollten spezifische Fördermaßnahmen entwickelt werden, um das Informationsdefizit auszugleichen und eine bessere Transparenz des Bildungssystems herzustellen, damit den Familien dazu verholfen werden kann, institutionelle Informationen reibungslos aufzunehmen sowie eine stärkere Vertrautheit mit schulischen Prozessen zu entwickeln und letztlich die Übergangsentscheidungen bewusster zu treffen.

This survey is concerned with the transition behaviour of Turkish migrant parents at the transition from primary school into the first stage of secondary school. Here, the focus is on the interaction of the parents’ knowledgeability about the German school system in North-Rhine Westphalia with ethnic and educational factors. Educational aspirations are subject to equal consideration in this context. For this purpose, 15 families and their 16 children took part in a guided interview as part of a qualitative study. The method of thematic coding - as outlined by Flick (1995/2010) - was employed for the evaluation of the data. Differences and similarities with various thematic areas were identified in the group comparisons according to the chosen type of school (Hauptschule, Realschule, Gymnasium or Gesamtschule). This made it possible to determine that the overwhelming majority of the children received a recommendation for Hauptschule or Realschule. Overall, half of the Turkish parents adhered to the recommendations (mainly that for the Hauptschule). The respective choices of school type were often due to the parents’ judgement of their children’s abilities and performance levels. Also worth noting is the increasingly frequent choice of the same type of school that the children’s siblings attend, which is most commonly the case with Gymnasium schools. The parents who chose Gymnasium or Realschule seem to be more familiar with and knowledgeable of the regulations and processes involved in the school system, giving them a clearer idea of which type of school is more compatible with their children’s educational aspirations. In order to provide more detail on the knowledgeability of the families and the possible interaction with educational and ethnic factors, the next step involved categorising families into three family types without consideration of the chosen type of school. The main focus here was on the parents’ knowledge about the school system. A more significant interaction could be observed depending on which other thematic area the respective cases could predominantly be found in. It became clear that the potential influencing factor of existing ethnic conditions plays a more significant role among less-informed families. Another distinctive trend among this family type is their predominant choice of Hauptschule or Gesamtschule. Upon closer examination of these families, it becomes clear that the choice of Gesamtschule, sometimes despite a recommendation for Realschule, tends to be influenced by uncertainty. Reserved expressions of desired leaving qualifications or high educational aspirations with regard to tertiary education, despite comparably low desired leaving qualifications, are further indications of the lack of information and enlightenment among these families. This ought to serve as a rallying cry for researchers and politicians. On the one hand, the knowledgeability of the parents should be measured directly using designated instruments, and the significance of the possible correlations should be examined. On the other hand, it is important to develop specific support measures to compensate for the deficit of information and create greater transparency in the education system to make it easier for families to accrue information about institutions, familiarise themselves with school processes and make more informed decisions about the transition.

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