Internet-communication disorder : Affektive und kognitive Mechanismen als zentrale Faktoren bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer pathologischen Nutzung

Die Internet-communication disorder (ICD) beschreibt die pathologische Nutzung von Online-Kommunikationsanwendungen wie Social Networking Sites, Instant Messenger Services oder (Micro-) Blogs. Dieses klinisch relevante Phänomen wird trotz bisheriger fehlender Klassifikation als spezifische Form der Internet-use disorder (IUD) eingeordnet. Zahlreiche empirische Arbeiten untersuchten potenzielle Risikofaktoren, wobei in erster Linie Personenmerkmale als Prädiktoren ermittelt wurden, die das Risiko der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer ICD erhöhen. Theoretische Annahmen wie das I-PACE Modell (Interaction of Person-Affect-Cognition-Exection Model) von Brand, Young, Laier, Wölfling und Potenza (2016) adressieren jedoch neben der Relevanz von Personenmerkmalen unter anderem auch interagierende Effekte affektiver und kognitiver Komponenten als Mechanismen einer spezifischen IUD. Bisher fehlen allerdings Studien, die den Effekt von Personenmerkmalen unter Berücksichtigung kognitiver Mechanismen auf die ICD untersuchen. Auch die Rolle affektiver Komponenten wie Cue-Reactivity und Craving als zentrale Konstrukte bei der Erklärung dieser dysfunktionalen Nutzung wurde noch nicht geprüft. Die aktuelle kumulative Dissertation soll somit die Forschungslücke hinsichtlich der Relevanz affektiver und kognitiver Komponenten bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer ICD adressieren. Schrift 1 des Kumulus unterstreicht den Effekt psychopathologischer Symptombelastung wie Depressivität und Unsicherheit im Sozialkontakt auf die Tendenz zu einer ICD. Dabei wird gezeigt, dass dieser Effekt durch die Internetnutzungserwartungen und Facetten der Internetnutzungskompetenz mediiert wird. Schrift 2 bekräftigt die Mediationseffekte kognitiver Mechanismen auf den Zusammenhang zwischen Personenmerkmalen und Tendenzen zu einer ICD. Dabei kann gezeigt werden, dass der Zusammenhang psychopathologischer Symptombelastung und einzelner Personencharakteristika wie Selbstwert, Stressvulnerabilität und Selbstwirksamkeitserwartung auf die Tendenz zu einer ICD durch die Internetnutzungserwartung beziehungsweise durch einen dysfunktionalen Coping-Stil mediiert wird. Hervorzuheben ist auch, dass soziale Aspekte wie soziale Einsamkeit und fehlende wahrgenommene soziale Unterstützung einen direkten Effekt auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Symptomen einer ICD haben. Die Befunde aus Schrift 1 und 2 legen nahe, dass kognitive Faktoren das Risiko einer dysfunktionalen Nutzung von Online-Kommunikationsanwendungen verstärken können beziehungsweise für den Faktor der Selbstregulation präventive Mechanismen greifen. In der dritten Schrift des Kumulus gilt es die Rolle affektiver Konstrukte wie Cue-Reactivity und Craving als weitere Risikofaktoren einer ICD zu identifizieren. Es konnte erstmalig in einem experimentellen Versuchsdesign gezeigt werden, dass Personen, die mit online-kommunikationsspezifischen Reizen (visuell oder auditiv) konfrontiert werden, stärkere Craving-Reaktionen zeigen als Personen, die neutralen Reizen ausgesetzt werden. Das subjektiv wahrgenommene Craving korreliert außerdem positiv mit der Tendenz zu einer ICD. Somit verdeutlichen die Befunde der Schrift 3, dass klassische Suchtkonzepte wie Cue-Reactivity und Craving auch bei dieser spezifischen Facette der IUD eine zentrale Rolle spielen. Die vorliegenden Befunde aller drei Schriften können im Hinblick des I-PACE Modells diskutiert werden und stehen im Einklang mit theoretischen Annahmen aus der Suchtforschung, aber auch mit grundlegenden Konzepten der Medienpsychologie wie dem Uses and Gratifications Ansatz und der Social Compensation Theory. Zusammenfassend lassen sich Alleinstellungsmerkmale, aber auch Gemeinsamkeiten der ICD mit anderen substanzgebundenen und nicht-substanzgebundenen Süchten feststellen.
Internet-communication disorder (ICD) is described as the pathological use of online-communication applications such as social networking sites, instant messenger services, or (mirco-) blogs. This clinical relevant phenomenon is not yet classified but discussed as a specific form of Internet-use disorders (IUD). Empirical studies already addressed person’s core characteristics as risk factors of the development and maintenance of an ICD. Theoretical approaches such as the I-PACE model (Interaction of Person-Affect-Cognition Execution Model) by Brand, Young, Laier, Wölfling, and Potenza (2016) address the relevance of person’s core characteristics and the interaction with affective and cognitive components as mechanisms of a specific IUD. Nevertheless, studies are missing which investigate the effect of person’s core characteristics on ICD under consideration of cognitive mechanisms. The effect of affective components such as cue-reactivity and craving for the development of a dysfunctional use has so far not been investigated, either. The cumulative dissertation aims to address this research gap. Script 1 of the cumulus demonstrates the effect of psychopathological symptoms such as depression and interpersonal sensitivity on ICD, which is mediated by Internet-use expectancies and dimensions of Internet literacy. Script 2 of the cumulus emphasizes the mediation effect of specific cognitions on the relationship between person’s core characteristics and symptoms of ICD. The results show that the effect of psychopathological symptoms and personal aspects such as self-esteem, stress vulnerability, and self-efficacy on symptoms of ICD is mediated by Internet-use expectancies as well as dysfunctional coping style. Social aspects such as social loneliness and less perceived social support have a direct effect on the development and maintenance of symptoms of an ICD. Taken together, the results of script 1 and 2 emphasize that cognitive mechanisms reinforce the risk of a dysfunctional use of online-communication applications. Script 3 of the cumulus investigates the effect of affective components such as cue-reactivity and craving as risk factors of an ICD. In an experimental setting the results indicate that persons confronted with online-communication related cues (acoustically or visually) show higher craving reactions than persons confronted with neutral cues. Subjective perceived craving correlates positively with tendencies of an ICD. Script 3 emphasizes that cue-reactivity and craving play an important role in this specific IUD as well. The current finding of the scripts 1-3 are discussed in the context of the I-PACE model and are in line with further models of the addiction research and of media psychology concepts such as uses and gratifications approach as well as social compensation theory. Summarized, there are convergent as well as divergent mechanisms of an ICD regarding other substance-use and non-substance use addictions.

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