Effekte einer systemischen Entzündungsreaktion auf die viszerale Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung : eine fMRT-Studie

Die viszerale Hyperalgesie ist Kernsymptom gastrointestinaler Erkrankungen, insbesondere der funktionellen Syndrome, wie dem Reizdarmsyndrom, deren Pathophysiologie noch nicht umfassend geklärt ist. Klinische sowie tier- und human-experimentelle Befunde deuten auf eine ätiologische Relevanz immunologischer Prozesse, etwa im Rahmen einer niedrigschwelligen, systemischen Immunaktivierung hin. In dieser Studie wurde die Hypothese untersucht, dass eine experimentell induzierte systemische Immunaktivierung zu einer viszeralen Hyperalgesie sowie einer veränderten neuralen Verarbeitung viszeraler Reize führt, insbesondere im Bereich des präfrontalen, des primär- und sekundär-sensorischen und des anterioren cingulären Kortex, der anterioren und posterioren Inselrinde und in Kerngebieten des Thalamus. In einem randomisierten, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studiendesign wurden N=26 männliche, gesunde Probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie untersucht, wobei N=14 Probanden intravenös eine niedrige Dosis Lipopolysaccharid (LPS, 0,4 ng/kg) zur Induktion einer systemischen Immunaktivierung und N=12 Probanden Placebo erhielten. Mittels druckgesteuerter rektaler Distensionen wurden viszerale Schmerzreize appliziert. Die viszeralen Schmerz-schwellen sowie die blood-oxygen level dependent (BOLD)-Antwort auf viszerale Distensionen wurden vor (Baseline) und zwei Stunden nach der LPS- bzw. Placeboapplikation gemessen. Während der Studie erfolgten wiederholte Blutabnahmen zur Bestimmung der Plasmakonzentrationen von proinflammatorischen Zytokinen (TNF-alpha, Interleukin-6) und Cortisol. Den Erwartungen entsprechend ließ sich eine viszerale Hypersensitivität im Sinne reduzierter Schmerzschwellen bei Probanden der LPS-Gruppe nachweisen. In der Analyse der BOLD-Daten ergaben sich signifikant stärkere Aktivierungen der posterioren Inselrinde, des dorsolateralen präfrontalen Cortex (DLPFC), des anterioren midcingulären Cortex (aMCC) und des sekundär-somatosensorischen Cortex bei Probanden der LPS-Gruppe. Es fanden sich zudem signifikante Korrelationen zwischen der Interleukin-6-Konzentration im Plasma und einem stärkeren BOLD-Signal im Bereich des DLPFC sowie zwischen TNF-alpha-Konzentrationen im Plasma und stärkerem BOLD-Signal in den Regionen des DLPFC und des aMCC. Diese Ergebnisse deuten auf eine veränderte zentralnervöse Schmerzverarbeitung während einer experimentell induzierten systemischen Immunaktivierung hin. Insbesondere scheinen sensorisch-diskriminative sowie die Homöostase aufrecht erhaltende Zentren vermehrt involviert zu sein. Diese Ergebnisse können zu einem weiteren Verständnis der zentralnervösen Mechanismen der Schmerzverarbeitung während einer systemischen Immunaktivierung und potentiell der pathophysiologischen Mechanismen gastrointestinaler Schmerzen beitragen.

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