Entwicklung eines Spline-Kurven basierten, symbolischen Wirbelsäulenmodells zur nichtinvasiven Bewegungsanalyse

Die Bewegungsanalyse ist eine der wichtigsten Anwendungen der Methoden der Biomechanik im klinischen Alltag. Sie unterstützt den behandelnden Arzt in der Diagnose von Pathologien der Bewegung, Erfolgskontrolle von Behandlungsmethoden, oder in der Auswahl geeigneter Rehabilitationsmaßnahmen nach einer Diagnose. Die instrumentelle Ganganalyse mithilfe von auf der Haut an speziellen anatomischen Orientierungspunkten aufgebrachten Hautmarkern und die stereophotogrammetrische Bestimmung ihrer Position ist der aktuelle Standard in der nichtinvasiven Bewegungsanalyse. Relativbewegungen der Haut und Weichteilen zwischen den Hautmarkern und dem Bewegungsapparat verfälschen jedoch die Messungen, was bei der Rekonstruktion der Bewegung der menschlichen Wirbelsäule zu Fehlern bis zu 30% in Lage und Orientierung der Wirbelsäulenlinie führen kann. In dieser Arbeit wird ein neuartiges symbolisches Modell der menschlichen Wirbelsäule als deformierbares Kurvenelement entwickelt, das Weichteilbewegungen mithilfe gleitender Freiheitsgrade kompensieren kann. Dazu wird die posteriore Wirbellinie (PVL) zu einer deformierbaren quintischen Spline-Raumkurve verallgemeinert, die sogenannte interpolierende posteriore Wirbellinie (i-PVL). Das Kurvenelement wird mithilfe eines begleitenden Darboux-Dreibeins so zu einer Streifenkurve erweitert, dass die Krümmungsinvarianten geodätische Krümmung, Normalkrümmung und geodätische Torsion den Bewegungsmoden Flexion/Extension in der Sagittalebene, Lateralextension und Torsion der Wirbelsäule zugeordnet werden können. Physiologische Verformungen der i-PVL werden mithilfe der Krümmungsinvarianten als verallgemeinertes linear elastisches Energiefunktional modelliert, das um quadrierte Fehlerterme der i-PVL an Hautmarker auf der Wirbelsäule zur Kostenfunktion erweitert wird. Die Schätzung der i-PVL zur nichtinvasive Bewegungsanalyse der Wirbelsäule wird durch Minimierung der Kostenfunktion mithilfe der sequentiellen quadratischen Programmierung (SQP) gelöst, wobei die Hautmarker frei entlang der i-PVL gleiten können, um Weichteilbewegungen zu kompensieren. Die Methode wurde mithilfe der C++-Mehrkörpersimulationsbibliothek Mobile implementiert und in zwei Einzelfallstudien evaluiert. Für Lateralextension aus neutralem Stand ergeben sich konsistente Ergebnisse für geschätzte Hautbewegung in kranialkaudaler Richtung und Wirbelrotation im Lumbarbereich mit Literaturwerten, bei gleichzeitiger Überschätzung der Lateralextension im Thoraxbereich. In einem zweiten Einzelfall wurde die geschätzte i-PVL für definierte Oberkörpertorsion bis zu 50° anhand fünf CT-Aufnahmen radiologisch evaluiert, wobei sich ein Anpassungsfehler von ca. 7 mm der i-PVL an die Lumbarkurve ergab, der unterhalb der geschätzten Ungenauigkeiten von ca. 10 mm in den gemessenen Daten liegt. Als Schlussfolgerung wird empfohlen, die Methode im Lumbarbereich an einer relevanten Zahl von Messungen systematisch zu erforschen und die Modellierung weiter zu verfeinern, um sie auf den Thoraxbereich anwenden zu können.

Today, non-invasive motion analysis, or instrumented gait analysis, is one of the most relevant applications of biomechanical modelling within the life sciences. It serves the clinician in the assessment of pathology of locomotor function, evaluation of therapy measures in rehabilitation, or choice of suitable therapy measures for specific diagnoses. The de-facto standard in non-invasive motion analysis in clinical practice is reconstruction of the position and orientation of human bones and ligaments from stereophotogrammetric measurements of retroflective skin markers. However, soft tissue artefacts introduce up to 30% errors in reconstruction of position and orientation of the human spine from marker measurements. This work proposes a novel symbolic model of the human spine as a deformable space curve that compensates soft tissue artefacts by sliding degrees of freedom of the skin markers. To this end, a quintic deformable spline space curve is derived from the posterior vertebral line (PVL), the so-called interpolating PVL (i-PVL). The spline curve is equipped with an adapted Darboux-frame, such that the curvature invariants geodesic curvature, normal curvature and geodesic torsion defined by the Darboux-frame give rise to measures for spinal flexion/extension in the sagittal plane, lateral extension and torsion of the spine. Physiological deformation of the PVL is modelled as a generalized, linear elastic energy functional based on the curvatures that is extended to cost function by adding penalty terms for each skin marker placed on the spine. Non-invasive instrumented motion analysis of the spine is then defined as minimization of the cost function using sequential quadratic programming (SQP), while the skin markers are allowed to move freely along the curve to compensate soft tissue motion. The method was implemented using the C++ multibody modelling library Mobile and evaluated in two casuistic experiments. For lateral extension from neutral standing position, the estimated vertebal rotations and skin motions in supero-inferior direction are consistent with values found in the literature, while the model seems to overestimate trunk lateral extension. In evaluation of defined torsional motions of the trunk up to 50 degrees using five CT-measurements of the lumbar spine, the predicted i-PVL deviates from the lumbar curve by ca. 7 mm, which is found to be less than the estimated accuracy of ca. 10 mm of the measured data. As a conclusion, the method shall be rigorously tested for the lumbar spine, while modelling of the i-PVL shall be refined to be applicable to the thoracical and cervical regions of the spine.

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