Prävalenz und Verordnungsentwicklung von PRISCUS-Medikamenten und fraglichen PRISCUS-Medikamenten – Ergebnisse der populationsbasierten Heinz Nixdorf Recall Studie

Um die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) im Alter zu erhöhen sind mittels Expertenkonsens Listen mit potenziell inadäquater Medikation (PIM) entwickelt worden. In Deutschland entstand 2010 die PRISCUS-Liste, in der 83 Medikamente als PIM kategorisiert wurden. Daneben wurden 46 Medikamente mit nicht eindeutiger Bewertung als fragliche PRISCUS-Medikamente eingestuft. Im Gegensatz zur sehr populären PRISCUS-Liste werden die fraglichen PRISCUS nicht diskutiert. Ziel ist es die Prävalenz von PRISCUS- und fraglichen PRISCUS-Medikamenten zu schätzen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer ausführlichen Literaturrecherche soll der Stellenwert der fraglichen PRISCUS im Vergleich zu den PRISCUS aufgezeigt werden. Daten von n=4504 Probanden (45-75 Jahre, Männer 49,8%) aus der Erst- und Zweiterhebung der populationsbezogenen Heinz Nixdorf Recall Studie (Ruhrgebiet, 2000-2008) wurden eingeschlossen. Zur Studie gehörte die Erfassung der in den letzten 7 Tagen vor der Untersuchung eingenommenen Medikation. Diese umfasste Verordnungen aus der ambulanten ärztlichen Versorgung und die Selbstmedikation, nebst Nahrungsergänzungsmitteln und Phytotherapeutika. Die Prävalenz von PRISCUS-Medikamenten bei ≥65-Jährigen (n=1066) liegt bei 18% (Männer 16%, Frauen 20%). Nach fünf Jahren Follow-up zeigt sich über alle Altersgruppen keine Änderung der Prävalenz. Der PRISCUS-Anteil an allen Medikamenteneinnahmen sinkt von 5,8% auf 4,3%. Kardiovaskuläre (Nifedipin, Sotalol) und psychotrope PRISCUS (Benzodiazepine, Antidepressiva) sind am häufigsten (107 respektive 60 Einnahmen). Die Rangfolge ändert sich nach fünf Jahren (78 respektive 88 Einnahmen). Die Prävalenz von fraglichen PRISCUS liegt bei 23% und steigt auf 31 %. Häufige und steigende fragliche PRISCUS sind Diclofenac (60 Einnahmen Ersterhebung +37 Einnahmen Follow-up), Acetylsalicylsäure (15 +17), Ginkgo Biloba (39 +37), Glibenclamid (24 +1), Moxonidin (19 +6), Theophyllin (16 +1) und Opipramol (5 +9 Einnahmen). Die Ergebnisse zeigen, dass fragliche PRISCUS durch eine häufigere Einnahme bezüglich unerwünschter Arzneimittelwirkungen bedeutsamer sein könnten, als PRISCUS-Medikamente selbst. Die Bedeutung wird durch die Entwicklung nach 5 Jahren mit einem klaren Anstieg der fraglichen PRISCUS und einer Stagnation der PRISCUS noch unterstützt. Deshalb sollten fragliche PRISCUS in weitergehenden Analysen zur AMTS im Alter mit eingeschlossen werden. Es sollten weitere Studien erfolgen, die das Risiko und den Nutzen der in dieser Arbeit diskutierten fraglichen PRISCUS-Medikamente bei älteren Menschen untersuchen. Die PIM-Listen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass randomisiert-kontrollierte Arzneimittelstudien bei Älteren fehlen.

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