Emission of electron-electron and electron-positron pairs from solid surfaces due to electron or positron impact
Die vorliegende theoretische Arbeit behandelt die Emission von korrelierten Elektron-Elektron und Elektron-Positron Paaren aus kristallinen Oberflächen induziert durch den Stoß eines niederenergetischen primären Elektrons oder Positrons mit einem Valenzelektron. Diese beiden Prozesse werden kurz als (e,2e)-Prozess bzw. (p,ep)-Prozess bezeichnet.
In Verallgemeinerung einer früheren Theorie wurde ein (e,2e)-Formalismus entwickelt, der Spin-Bahn-Kopplung und Austausch in Ferromagneten auf gleicher Stufe behandelt. Die grundlegenden Bestandteile sind Einteilchenzustände, die Lösungen einer Dirac-Gleichung mit effektivem Magnetfeld sind. Aus diesen Zuständen werden Zweiteilchenzustände gewonnen, die durch Austausch und Coulomb-Wechselwirkung korreliert sind. Der spinabhängige (e,2e)-Wirkungsquerschnitt wird dann ausgedrückt als Übergangswahrscheinlichkeit zwischen einem Zweiteilchen-Anfangszustand und einem Zweiteilchen-Endzustand.
Neben der Anwendbarkeit auf (e,2e) von nichtmagnetischen Systemen als Spezialfall, wurde die Theorie so erweitert, dass auch die Positronen-induzierte Elektron-Positron Emission (p,ep) behandelt werden kann. Der Formalismus wurde in ein Computer-Programm umgesetzt und numerische Ergebnisse für einige ausgewählte kristalline Oberflächensysteme erzeugt. Das für die Rechnungen benötigte Quasiteilchen-Potential erhält man im Rahmen der Dichtefunktional-Theorie aus ab-initio Berechnungen des Grundzustands des untersuchten Systems, ergänzt durch eine komplexe Selbstenergiekorrektur.
Eine vergleichende Untersuchung von (e,2e) und (p,ep) wurde für eine Cu(111)-Oberfläche durchgeführt. Wegen des entgegengesetzten Vorzeichens der Coulomb-Wechselwirkung zeigt sich der auffallendste Unterschied in Winkelverteilungen für auslaufende Teilchen mit gleichen Energien. Während es für (e,2e) einen zentralen Bereich verminderter Intensität gibt (Austausch-Korrelations-Loch), zeigt die (p,ep)-Verteilung einen zentralen Bereich erhöhter Intensität (Korrelations-Hügel). Für größere Winkel zeigen sich aufgrund von Oberflächenresonanzen scharfe Strukturen.
Im Zusammenhang mit Experimenten am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle wurden spinabhängige Winkel- und Energieverteilungen der (e,2e)-Spektren für die ferromagnetische Fe(001) Oberfläche berechnet. Diese wurden analysiert mit Hilfe von spin-, impuls-, symmetrie- und lagenaufgelösten Valenzelektronen-Zustandsdichten. Es stellt sich heraus, dass die gefundenen Intensitätsverteilungen fast vollständig durch die Emission aus den drei obersten oberflächenparallelen Atomlagen festgelegt sind. Impulsverteilungen für parallele Spins der auslaufenden Elektronen zeigen ein Austausch-Korrelations-Loch, welches größer ist als das Korrelations-Loch für den Fall antiparalleler Spins. Durch Vergleich der experimentellen Intensitätsverteilungen für antiparallele Spins mit den theoretischen Ergebnissen wurde eine effektive Abschirmlänge der Coulombwechselwirkung im Oberflächenbereich bestimmt.Der Einfluss von Coulomb-Korrelation und Austausch-Wechselwirkung auf die (e,2e)-Spektren wurde desweiteren an einem kürzlich entdeckten spin-polarisierten Oberflächenzustand in der nichtmagnetischen W(110)-Oberfläche untersucht. Zusätzlich konnte aus den berechneten (e,2e)-Spektren die Dispersion E(k_parallel) des Oberflächenzustands gewonnen werden. Als System, für das magnetischer Austausch und Spin-Bahn-Kopplung von gleicher Größenordnung sind, wurde Co/W(110), d.h. Kobalt, adsorbiert in wenigen Monolagen auf eine W(110) Oberfläche, ausgewählt. Hierfür werden (e,2e)-Intensitätsverteilungen zusammen mit den zugrundeliegenden spin- und lagenaufgelösten Zustandsdichten gezeigt. Detailliertere Einsicht wird durch Rechnungen gewonnen, bei denen die Spin-Bahn-Kopplung selektiv bei dem Valenzelektron, bei dem einfallenden Elektron und bei den auslaufenden Elektronen abgeschaltet wird. Die theoretischen Ergebnisse sind allgemein in guter Übereinstimmung mit den experimentellen Daten. Darüberhinaus lässt sich ein beträchtlicher magnetischer Dichroismus voraussagen.