Entwicklung eines kinetischen Modells für Amin- und Amin/Carbonat-Lösungen zur Optimierung des Abscheideprozesses in einer Technikumsanlage

In der vorliegenden Arbeit wird die Beschreibung und Optimierung von CO2-Abscheideprozessen aus Kraftwerksrauchgasen mittels wässriger Amin-lösungen und Amin-Carbonat-Blends untersucht. Hierzu werden kinetische und thermodynamische Laboruntersuchungen durchgeführt, die dazu dienen, rele-vante Stoffdaten der verschiedenen Lösungen zu ermitteln. Auf Basis dieser Daten wird ein kinetisches Modell erstellt, mit dessen Hilfe es möglich ist, die im Technikumsmaßstab ablaufenden Prozesse in einigen Technikumsanlagen zu beschreiben. Ferner werden auch Versuche unter realen Rauchgasbedingungen in einem Steinkohlekraftwerk an einer PCC-Technikumsanlage durchgeführt. Die Ergeb-nisse dieser Versuche werden ebenfalls mit Hilfe des verwendeten kinetischen Modells abgebildet und zur Modellvalidierung verwendet. Im Rahmen experimenteller Laborarbeiten wird ein Fallfilmreaktor detailliert be-schrieben und die Methodik der Versuchsdurchführung und Auswertung kritisch validiert. Dabei wird zunächst das einfache, rein physikalische System aus Wasser und CO2 betrachtet. Hier wird die Henry-Löslichkeit von CO2 bei verschiedenen Temperaturen in reinem Wasser untersucht und mit verschiedenen Literaturdaten verglichen. Es kann eine sehr gute Übereinstimmung von den experimentell ermittelten Wer-ten zu den in der Literatur publizierten Daten ermittelt werden. Außerdem werden die physikalischen Stoffübergangskoeffizienten von CO2 in reines Wasser experimentell ermittelt. Mit Hilfe des Zwei-Film-Modells kann an-schließend die Kinetik der CO2-Desorption als Umkehrprozess des reinen Ab-sorptionsvorgangs auf Basis dieser Daten beschrieben werden. Bei der Verwendung unterschiedliche Trägergase kann ermittelt werden, dass diese unter den experimentellen Bedingungen keinen Einfluss auf die effektiven Stoffübergangskoeffizienten von CO2 in wässrige Lösungen haben. Die dadurch hervorgetretene Annahme einer maßgeblich flüssigkeitsseitigen Stofftransport-limitierung ist ebenfalls detailliert untersucht worden. Durch die Modellierung von orts- und zeitaufgelösten Diffusionsprofilen von CO2 in der Gasphase und im Flüssigkeitsfilm innerhalb des Reaktors kann gezeigt werden, dass der Stoffübergang maßgeblich durch die Diffusion des CO2 in der Flüssigkeit beeinflusst wird. Bei der kinetischen Untersuchung einiger ausgewählter Amine können eben-falls gute Übereinstimmungen mit Literaturdaten herausgestellt werden. Zur weiteren Validierung des experimentellen Aufbaus wird die Absorptionskinetik von CO2 in wässrige MEA-Lösungen betrachtet und ebenfalls mit Literaturdaten verglichen. Hier kann, im Rahmen der Streuung der Literaturdaten, eine sehr gute Übereinstimmung mit diesen Werten ermittelt werden. Bei den ermittelten Desorptionskinetiken können, sofern Literaturwerte vorhan-den sind, ebenfalls gute Übereinstimmungen mit diesen aufgezeigt werden. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass die Art des experimentellen Aufbaus einen erheblichen Einfluss auf die ermittelten Werte haben kann. So können z.T. niedrigere, kinetische Werte in der Literatur auf eine CO2-Anreicherung am Gas-Flüssigkeitsinterface und damit auf eine Verringerung der Triebkraft des Desorptionsprozesses zurückzuführen sein. Die Untersuchung der Desorptionskinetiken von Carbonat-Amin-Blends zeigt, dass durch die Verwendung solcher Waschmittelformulierungen eine erhebliche Menge des eingesetzten Amins eingespart und durch Kaliumcarbonat ersetzt werden kann, ohne dass es zu signifikanten Einbußen hinsichtlich der Reakti-onskinetik kommt. Weiterhin kann gezeigt werden, dass die Carbamat-Stabilität des verwendeten Amins einen direkten Einfluss auf die gemessenen Desorptionsgeschwindigkei-ten hat. So führen instabilere Carbamate zu einer Steigerung der Desorptions-rate, wohingegen sehr stabile Carbamate keinen Beitrag leisten. Bei der Durchführung von Versuchsfahrten mit 4,91 mol/L MEA-Lösungen (30 mass.-%) an der mobilen CO2-Anlage können einige Abhängigkeiten der CO2-Abscheideleistung von Betriebsparametern abgeleitet werden. Zunächst kann gezeigt werden, dass die zuvor programmierten Regelungen für einen stabilen Anlagenbetrieb auch über längere Versuchsdauern hin ohne ex-ternes Eingreifen stabile Betriebspunkte einhalten können. Des Weiteren ist festzuhalten, dass es trotz zum Teil erheblicher Temperaturschwankungen des Niederdruckdampfs möglich ist, den Desorber der Anlage ohne starke Schwan-kungen aufzuheizen und zu betreiben. Auch die Abscheideleistung hängt deutlich vom L/G-Verhältnis ab. Des Weite-ren kann gezeigt werden, dass die Abscheideleistung erheblich von der Desor-bertemperatur abhängt, da diese direkt die lean-Beladung des Waschmittels bei Absorber-Eintritt beeinflusst. Im Gegensatz dazu kann nur eine geringe Abhän-gigkeit der Abscheideleistung von der Temperatur der Absorptionskolonnen innerhalb des untersuchten Bereichs festgestellt werden. Auf Basis einiger verlässlich ermittelbarer Labordaten ist ein kinetisches Modell zur Beschreibung der CO2-Abscheidung auf Basis wässriger Aminlösungen in Absorptionskolonnen mit strukturierten Packungen erstellt worden. Zunächst wird eine Parametervariation durchgeführt, um sicherzustellen, dass keine fälschlichen Beeinflussungen der Ergebnisse allein durch Parameterab-weichungen hervorgerufen werden. Durch die Verwendung einer ausreichen-den Stufenzahl bei den Berechnungen kann außerdem eine hinreichende Be-rechnungsgenauigkeit sichergestellt werden. Zusammenfassend kann aufgezeigt werden, dass niedrige L/G-Verhältnisse und hohe CO2-Partialdrücke energetisch ideal sind, um möglichst geringe, spe-zifische Energiebedarfe der Waschmittelregeneration realisieren zu können. Weiterhin ist festzuhalten, dass der Energiebedarf der Waschmittelaufheizung einen Großteil des Gesamtenergiebedarfs ausmacht. Daher sind möglichst ho-he Waschmittelausgangstemperaturen nach der CO2-Absorption erstrebens-wert, um diesen zu minimieren. Die Validierung des Modells an Hand von Modelldaten von drei verschiedenen Versuchsanlagen zeigt eine gute Übereinstimmung von theoretischen mit expe-rimentellen Daten. Der Vergleich von Modelldaten mit experimentellen Daten der mobilen CO2-Anlage zeigt eine insgesamt gute Übereinstimmung mit leichten Abweichungen für niedrige L/G-Verhältnisse. Diese sind auf Ungenauigkeiten des hydrauli-schen Modells zurückzuführen und können durch einen dimensionslosen Kor-rekturterm minimiert werden. Für experimentelle Daten der EFFICO2-Anlage (Anlage Nr. 2) liegt insgesamt eine sehr gute Übereinstimmung mit den Modellergebnissen vor. Hier zeigen die Ergebnisse bei niedrigen L/G-Verhältnissen die insgesamt geringste Streu-ung und Abweichung von den Modelldaten. Eine vergleichbare Übereinstimmung kann ebenfalls für die in [Tob2007] publi-zierten Versuchsdaten ermittelt werden (Vgl. Anlage 3). Auch hier sind für nied-rige L/G-Verhältnisse die geringsten Abweichungen von Experiment und Modell erkennbar. Ein Vergleich zu dem erheblich komplexeren Modell aus [Tob2007] zeigt, dass es auch auf Basis eines Modells mit sehr wenigen Labordaten mög-lich ist, eine gute Beschreibung der in Kolonnen mit strukturierten Packungen ablaufenden Prozesse bei der reaktiven CO2-Absorption in wässrige Aminlö-sungen durchzuführen. Die Anwendung des kinetischen Modells auf alternative Waschmittelsysteme, hier Carbonat-Amin-Blends, zeigt, dass diese zum Teil deutlich bessere Ab-scheideleistungen unter gegebenen Betriebsparametern aufweisen als die Re-ferenzsubstanz 30 mass.-% MEA. Die Ergebnisse dieser Arbeit machen deutlich, dass es möglich ist, mit Hilfe eines vergleichsweise simplen kinetischen Modells die Prozesse der CO2-Abscheidung im Technikumsmaßstab zu beschreiben. Hierzu ist es jedoch es-sentiell auf valide Daten und für das jeweils zu beschreibende System ange-passte Modellparameter zurückzugreifen. Zur Ermittlung verlässlicher kinetischer und thermodynamischer Daten sind La-boraufbauten kritisch charakterisiert und im Vergleich zu Literaturdaten (Henry-Koeffizienten, Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten) validiert worden. Dabei ist eine sehr gute Übereinstimmung zu den Daten aus der Literatur gefunden wor-den. Die praktische Übertragbarkeit des hier verwendeten Modells auf andere Waschmittel ist durch den Einsatz dieser Waschmittel im Technikumsmaßstab zeigen. Gerade Carbonat-Piperazin-Blends zeigen erste vielversprechende Er-gebnisse. Weitere Arbeiten müssen vor allem das Langzeitverhalten von im Labor als vielversprechend charakterisierten Waschmittelformulierungen im Realbetrieb mit weiteren Schadkomponenten(SOx, NOx, Stäube) im Fokus haben. Gerade der Einfluss der Waschmitteldegradation in Hinblick auf Toxizität und Korrosivi-tät ist für die Gesamtbeurteilung eines Waschmittels noch genauer zu betrach-ten.

Within the last decades a significant increase in the global mean temperature can be observed. This effect is discussed to be mainly contributed to an in-crease in anthropogenic green house gas emissions. Here CO2 has a major impact on the overall climate influence of these emissions. Among the CO2 emitters fossil fueld power plants account to about half of the global CO2 emissions. Concerning the fact that these power plants will be nee-ded in the near future, a lot of efforts are made in order to increase the effi-ciency of such powerplants. Furthermore CO2 capture technologies are develo-ped. Among these technologies the Post Combustion CO2 Capture by aqueous amine solutions is the most mature. By employing a certain solvent system to capture CO2 in a technical process one has to know its relevant physical and chemical properties in order to esti-mate its performance within the process. In this work some laboratory setups are used and critically validated in order to measure reliable kinetic and thermodynamic data of different aqueous soluti-ons. Measured data are found to be in a good agreement with literature values. Physical CO2 mass transfer is modeled based on measured mass transfer coef-ficients and according to the two film model. Detailed diffusion profiles are calculated to estimate the influence of gas- and liquid-phase diffusion effects on the overall mass transfer coefficients. Absorption and desorption kinetics of aqueous solutions are directly measured with a wetted wall column reactor. A good agreement of measured desorption kinetics with literature data can be found. A measurable influence of the carbamate stability on the desorption kinetics of CO2 from aqueous carbonate-amine-blends can be shown. By employing such blends a signficant amount of amine can be substituted by potassium carbonate by partly even increasing the reaction kinetics. Furthermore a small pilot plant located at a coal fired power plant is operated to evaluate solvent performances under realistic flue gas conditions. Conducted experiments clearly indicate the dependencies of the overall absorption perfor-mance on different operation parameters, such as desorption temperature and liquid to gas ratio. Apart from the pilot plant experiments a kinetic model is developed in order to estimate solvent performances on a technical scale based on a few reliable lab data. This model is critically validated based on experimental results obtained from three different carbon capture plants. A good agreement between experi-mental and theoretical data is obtained.

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