PT Unknown
AU Radtke, S
TI Entwicklung eines in vitro Nachweisverfahrens zur Analyse des Entwicklungspotentials humaner hämatopoetischer Stamm- und Vorläuferzellen
PD 05
PY 2014
LA de
DE Hämatopoetische Stammzellen; Kokultur; MSZ; HSZ; Endothel
AB Hämatopoetische Stammzellen (HSZ) stellen das derzeit bestuntersuchte Stammzellsystem im Menschen dar. Dennoch sind die hierarchische Organisation der Stamm- und Vorläuferzellen sowie die genauen Linienverwandtschaft reifer Blutzellen noch immer nicht vollständig aufgeklärt. Nach dem klassischen Modell der Hämatopoese bringen HSZ multipotente Progenitoren hervor (MPP), die im weiteren Verlauf der Differenzierung entweder lymphatisch oder myeloisch spezifiziert werden. Durch die Beschreibung von Vorläuferzellen, die lymphatisches sowie partielles myeloisches aber kein erythrozytäres und megakaryozytäres Differenzierungspotential aufweisen, wurde das klassische Modell mit der Aufspaltung in den lymphatischen und myeloischen Zweig von mehreren Arbeitsgruppen falsifiziert.

Das Ziel dieser Arbeit war folglich die Entwicklung einer in vitro Analysemethode, die eine Beschreibung der genauen Abstammungsverhältnisse in der humanen Hämatopoese sowie die Detektion primitiver hämatopoetischer Stamm- und Vorläuferzellen (HSVZ) auf Einzelzellebene ermöglicht. Als Grundlage hierzu wurde der klassische ML-IC (myeloid-lymphoid initiating cell) Ansatz verwendet, der eine retrospektive Analyse von Zellen mit lympho-myeloischem Differenzierungspotential ermöglicht. Zu untersuchende Einzelzellen werden hierzu in Kokultur mit murinen Stromazellen expandiert und das myeloische (LTC-IC) und lymphatische (NK-IC) Differenzierungspotential der Nachkommenschaft analysiert. Eine wesentliche Voraussetzung für den erweiterten ML-IC Ansatz stellen somit Kulturbedingungen dar, die eine Expansion von Einzelzellen ohne den Verlust des initialen Differenzierungspotentials in der neu entstehenden Nachkommenschaft ermöglichen. Weiterhin werden für die Analyse des Differenzierungspotentials der Nachkommenschaft funktionelle in vitro Differenzierungsansätze für den Nachweis aller hämatopoetischen Linien benötigt.

Zu Beginn der Arbeit wurde das Entwicklungspotential expandierter HSVZ in der Suspensionskultur genauer analysiert. Primitive HSVZ mit LTC-IC, NK-IC, SRC sowie myeloischem Koloniebildungspotential konnten in der CD133+CD34+ Fraktion erhalten werden, wohingegen CD133+CD34+ HSVZ mit erythrozytärem innerhalb von 6 Tagen vollständig verloren gingen. Zellen mit erythrozytärem Differenzierungspotential wurden exklusiv in der neu entstehenden CD133lowCD34+ Fraktion detektiert. Diese Beobachtung gemeinsam mit weiteren Ergebnissen aus der Arbeitsgruppe führte zur Beschreibung neuer Linienverwandtschaften und eine alternativen Modellvorstellung der humanen Hämatopoese. Demnach findet eine frühe Aufspaltung in den lympho-myeloischen (CD133+CD34+) und erythro-myeloischen (CD133lowCD34+) Zweig statt, wobei Eosinophile und Basophile von CD133low erythro-myeloischen Progenitoren (EMP) und Neutrophile von CD133+ lymphatisch-spezifizierten multipotenten Progenitoren (LMPP) gebildet werden.

Da insbesondere das erythrozytäre Differenzierungspotential in der Suspensionskultur verloren ging, wurden der Erhalt multipotenter HSVZ in Kokultur mit Zellen muriner Stromazelllinien sowie primären humanen mesenchymalen und endothelialen Stromazellen analysiert, die laut der Literatur eine Expansion multipotenter HSVZ ermöglichen. Überraschenderweise ermöglichten weder die murinen noch die humanen Stromazellen einen reproduzierbaren und zuverlässigen Erhalt multipotenter CD133+CD34+ HSVZ. In allen getesteten Bedingungen ging das erythrozytäre Differenzierungspotential in der CD133+CD34+ Fraktion über die Zeit nahezu vollständig verloren. Ein Erhalt aller initialen Differenzierungspotentiale in der gesamten Nachkommenschaft wurde hingegen von einzelnen mesenchymalen sowie endothelialen Stromazellen unterstützt.

Derzeitige in vitro Kulturbedingungen ermöglichen keine unlimitierte Expansion primärer humaner Stromazellen. Um humane Primärzellen, die einen Erhalt aller initialen Differenzierungspotentiale ermöglichen, für die weiterführende Analysen sowie die initiale Expansionsphase im erweiterten ML-IC Ansatz zu konservieren, wurden ein System zur konditionellen Immortalisierung selektionierter Stromazellen etabliert. Von den immortalisierten humanen Primärzellen unterstützten insbesondere Zellen der mesenchymalen Stromazelllinie KM MNZ B Klon 2 einen reproduzierbaren Erhalt von HSVZ mit T-Zell, NK-Zell, Makrophagen/Monozyten, Granulozyten (Neutrophile, Basophile, Eosinophile), Megakaryozyten sowie Erythrozyten Potential. Diese Stromazellen ermöglichen folglich geeignete Kulturbedingungen für die initiale Expansionsphase im erweiterten ML-IC Ansatz.

Auch wenn der erweiterte ML-IC Ansatz bislang nicht vollständig etabliert ist, konnte diese Arbeit wesentliche Ergebnisse zur Beschreibung neuer Linienverwandtschaften sowie einer alternativen Modellvorstellung der humanen Hämatopoese beitragen. Der Befund, dass multipotente HSVZ die einzigen CD133+CD34+ Zellen mit erythrozytärem Differenzierungspotential darstellen, ermöglicht zudem eine einfache Detektion und Quantifizierung multipotenter HSZ/MPP in weiterführenden Versuchen.
Weiterhin wurden im Rahmen dieser Arbeit zusätzliche linienspezifische in vitro Differenzierungsansätze zur Detektion von Zellen mit CFC, T-Zell, Erythrozyten sowie Megakaryozyten Potential erfolgreich etabliert. Gemeinsam mit der Qualifizierung einer humanen mesenchymalen Stromazelllinie, die den Erhalt aller getesteten Linienpotentiale in der hämatopoetischen Nachkommenschaft ermöglicht, stellen diese Vorarbeiten eine wichtige Grundlage für die zukünftige Analyse einzelner HSVZ im erweiterten ML-IC Ansatz dar.
ER