Perfluordecalin-gefüllte Poly-n-butylcyanoacrylat-Nanokapseln als künstliche Sauerstoffträger

Diese Arbeit beinhaltet eine systematische Studie über die Optimierung und Hochskalierung der Synthese von Perfluordecalin-gefüllten Poly-n-butylcyanoacrylat-Nanokapseln, die als künstliche Sauerstoffträger Verwendung finden sollen. Darüber hinaus wurde eine umfangreiche Charakterisierung des Systems vorgenommen und das Verhalten in biologischer Umgebung untersucht. Bei der Syntheseoptimierung stellte sich heraus, dass die Molenbrüche der organischen bzw. wässrigen Phase hinsichtlich der ursprünglichen Standardsynthese (180 ± 30 nm) bereits ein Optimum gewünschter Dispersionscharakteristika erzielen. Unter Zuhilfenahme der 19F-NMR-Spektroskopie und der Dekonvolution von Größenverteilungen konnte dabei im Rahmen dieser Analysen sogar die An- oder Abwesenheit von Nanosphären und Nanokapseln diskriminiert werden. Um eine bessere Sauerstoffversorgung zu bewirken, konnte zudem auch die eingekapselte PFD-Menge ohne Anpassung des Monomergehalts erhöht werden ohne die Größenverteilung kurzfristig und signifikant zu verändern. Diese Fähigkeit als auch die geforderte Gasreversibilität des Prozesses, konnten auch durch den Einsatz der 19F-NMR-Spektroskopie dokumentiert werden. Für eine bessere längerfristige Stabilität muss allerdings der Monomergehalt angepasst werden, auch wenn dies zu leicht größeren mittleren hydrodynamischen Radien und eventuell dickeren Kapselwänden führt, da ansonsten eine mutmaßlich höhere Tendenz zur Koaleszenz besteht. In anderen Versuchen wurde eine Reduktion bzw. Substitution des Tensids angestrebt, da Tenside eine physiologisch negative Wirksamkeit haben können. Dieses Vorhaben erwies sich als relativ unproblematisch. Dabei verringerten sich zwar die Kapselgrößen etwas, jedoch wurde kein signifikanter Einfluss auf die Langzeitstabilität festgestellt. Die Verringerung der Kapselgrößen wurde hierbei physikalisch-chemisch interpretiert, nämlich durch die Veränderung der Oberflächenspannung und der „aktiven Grenzflächenkonzentration“ des Monomers durch die Präsenz des Tensids. Die Kapselsysteme präsentierten sich sogar ohne den Tensid-Einsatz als nahezu unverändert in ihrer Stabilität. Des Weiteren konnte die auch kritische Verwendung von Dichlormethan oder Aceton in Bezug auf ihre akute Toxizität eliminiert werden, ohne dass Mischungslücken im System entstanden. Dabei konnte auch gezeigt werden, dass sich die Langzeitstabilitäten ohne Dichlormethan oder Aceton sogar deutlich verbessern. Analog dazu wurde auch in den Variationen mit größeren Lösungsmittelanteilen eine ausgeprägtere Alterungsempfindlichkeit nachgewiesen. Hingegen zeigte eine Erhöhung der Synthese-Temperatur kaum einen Einfluss auf die Dispersionscharakteristika (193 ± 31 nm bei 40 °C). Die T-Erniedrigung führte im Gegensatz dazu zu deutlich kleineren Nanokapseln (135 ± 30 nm bei 5 °C), da in diesem T-Bereich anscheinend das sensible Zusammenspiel kinetischer und thermodynamischer Parameter, wie Reaktionsgeschwindigkeit, Diffusionskoeffizienten und Löslichkeiten, stärker beeinträchtigt werden als bei T-Erhöhung. Insgesamt konnte durch die Variationen der Bereich der metastabilen Ouzo-Region für dieses System besser abgegrenzt werden. Darüber hinaus konnte demonstriert werden, dass es möglich ist die Kapselgrößen z.B. über den Tensidgehalt oder über die Synthesetemperatur einzustellen ohne dabei einen Stabilitätsverlust hinnehmen zu müssen. Die Standardsynthese zeigte sich außerdem als geeignet eine erfolgreiche Hochskalierung in den halbtechnischen Maßstab durchzuführen. Es zeigte sich dabei, dass die erhaltenen hochskalierten Dispersionen marginal monodisperser bei vergleichbarer Langzeitstabilität relativ zur Standardsynthese sind. Auch bei einem Stresstest bei 60 °C-Lagerung erwies sich das Kapselsystem als relativ beständig. Zusätzlich wurde die Morphologie der Nanokapseln mit verschiedenen elektronenmikroskopischen Methoden, wie SEM, ESEM, Cryo-TEM und SR-SIM, charakterisiert. Dabei wurde die sphäroidale Kapselstruktur bestätigt, die eine Wanddicke gemäß den Cryo-TEM-Aufnahmen von 9 +/- 3 nm aufweist, also nach geometrischer Betrachtung etwa acht aufeinanderfolgende Polymerlagen umfasst. Sowie laut Berechnung die Nanokapseln eine zwei- bis dreifache Monomerbedeckung besitzen, die zu einer maximalen Kapselwanddicke von 2-3 nm führt. Nebenbei dokumentiert dieses Merkmal die Eignung für einen möglichst guten Gasaustausch. Das SR-SIM-Verfahren zeigte darüber hinaus, dass sich die PFD-Kerne der Kapseln auch mit den ausgewählten fluorierten Porphyrin-basierten Fluoreszenzfarbstoffen markieren lassen, ohne dass das Syntheseergebnis erkennbar beeinflusst wird. Dadurch wird prinzipiell ermöglicht das Verhalten und den Verbleib der Nanokapseln im biologischen System (z.B. Gewebe) zu studieren. Weiterhin wurde ein Beitrag zum Verständnis der exzellenten Gaslöslichkeiten von Perfluorcarbonen, respektiv Perfluordecalin, via Raman-Spektroskopie und quanten-chemischer Rechnungen geleistet. Mithilfe der theoretischen Rechnungen konnten drei Energieminima für das trans-PFD und ein Minimum für das cis-PFD verifiziert werden, deren Wechselwirkungsenergien im Bereich von etwa -3 bis -4 kJ/mol liegen, also rein dispersiven Kräften entsprechen. Die Isomere differieren dabei nur geringfügig in ihrer Wechselwirkungsenergie mit O2, daher wird auf eine ähnliche Sauerstofflöslichkeit geschlossen. Auch die Bindungsabstände in den dabei berechneten Geometrien weisen nicht auf eine chemische Beteiligung in der vermutlich ausschließlich physikalischen Gaslöslichkeit hin. Dieser Schluss konnte auch aus den Ergebnissen der Mikro-Raman-Spektroskopie gezogen werden, die zudem erstmals als geeignete Methode für die Bestimmung von Henry-Konstanten in diesem Zusammenhang erschlossen werden konnte. Der allgemein anerkannte und qualitative Trend für die zunehmende Gaslöslichkeit von Perfluorcarbonen in der Reihe N2 ˂ O2 ˂˂ CO2 wurde dabei bestätigt und erstmalig für das PFD quantitativ unter Laborbedingungen determiniert. Um die Verwendbarkeit der PnBCA-PFD-Nanokapseln in biologischen Systemen zu gewährleisten, wurde initial die Synthese auf den kommerziell erhältlichen Wundkleber Indermil® umgestellt, der bereits steril verpackt geliefert wird. Dadurch ist ein erster Schritt für zukünftige medizinische Projekte bereits vollzogen, bei denen ein steriles und medizinisch zugelassenes Produkt bereitgestellt werden soll. Denkbar wäre auch eine nachträgliche schnelle Pasteurisierung, da sich das Kapselsystem im Stresstest bei 60 °C zumindest über einen gewissen Zeitraum als relativ resistent präsentierte. Die rheologischen Eigenschaften der Nanokapseldispersionen wurden ebenfalls bestimmt, wodurch in zukünftigen medizinisch-biologischen Experimenten eine Abschätzung des physiologisch wichtigen Parameters, der Viskosität, möglich wird. Mit den Viskositätsmessungen konnte außerdem physikalisch fundiert werden, in welchem Bereich der Einsatz bestimmter Dispersionsvolumina biologisch zumutbar ist. In medizinischen Experimenten (Leberperfusionen und intravenöse Infusionen) wurde weiterhin die Anwendbarkeit der synthetisierten Nanokapseln auf die Probe gestellt. Hierbei wurde gefunden, dass die Nanokapseln keine wahrnehmbaren negativen Auswirkungen auf die Lebern bzw. Versuchstiere im Beobachtungszeitraum hatten. Die Experimente mit perfundierten Rattenlebern und in vivo stellten sich also insgesamt als prospektiv für die Weiterentwicklung dieses Kapselsystems heraus.

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