Subsidia Anianensia: Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Benedikts, seines Klosters Aniane und zur sogenannten "anianischen Reform" : Mit kommentierten Editionen der ‚Vita Benedicti Anianensis‘, ‚Notitia de servitio monasteriorum‘, des ‚Chronicon Moissiacense/Anianense‘ sowie zweier Lokaltraditionen aus Aniane

Die Durchsetzung der Mönchsregel Benedikts von Nursia als der verbindlichen Norm monastischen Lebens im Frankenreich ist eng mit der Tätigkeit Benedikts von Aniane (750-821) verknüpft und stellt einen bedeutenden Faktor für den Aufbau der karolingischen Königskirche sowie für die Formung klösterlicher Lebenspraxis bis ins 11. Jahrhundert dar. In der Forschung werden einzelne Aspekte dieses als "anianische Reform" beschriebenen Prozesses kontrovers diskutiert. Das Ausmaß des Einflusses von Benedikt wird unterschiedlich beurteilt. Die vorliegende Arbeit zeichnet die bisher vernachlässigte Überlieferungs- und Textgeschichte einiger zentraler Quellen nach und bietet kritische Editionen und Übersetzungen. Die sogenannte Chronik von Moissac geht auf ein karolingisches Annalenwerk zurück, das zur Zeit Benedikts in Aniane entstanden ist. Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert wurde es vom Nachbarkloster Gellone aus mehrfach rezipiert, nachdem es bereits vor 1000 in Aniane zur Grundlage einer Historia Karls des Großen geworden war. Das Klösterverzeichnis ‚Notitia de servitio monasteriorum‘ ist nur im Rahmen einer chronikalischen Fälschung des 14. Jahrhunderts aus Saint-Gilles überliefert, geht jedoch auf ein 814 bis 817 entstandenes Gesamtverzeichnis fränkischer Reichsklöster zurück, das für die kaiserliche Privilegierungspolitik herangezogen wurde. Überlieferungsorte vor Entstehung der Fälschung waren Gellone und Aniane. Eine weitgehend unbekannte hochmittelalterliche Kirchweihtradition des Klosters Aniane entstand durch die Umwidmung des vom 6. ökumenischen Konzil zu Konstantinopel (680/681) überlieferten Namenmaterials. Das aus der Weihetradition erschließbare Vorhandensein der Akten dieses Konzils in Aniane dürfte mit Benedikts Beziehungen zum Alkuinkreis in Verbindung stehen. Die 823 entstandene Lebensbeschreibung Benedikts ist trotz einiger Eingriffe, die um 1100 aufgrund damals aktueller politisch-wirtschaftlicher Interessen von Aniane vorgenommen wurden, ein in hohem Maße informativer und glaubwürdiger Text. Er erlaubt alleine und in Verbindung mit anderen Quellen neue sozial- und politikgeschichtliche Erkenntnisse: Der Eintritt Witiza-Benedikts in den Mönchsstand hatte nicht nur religiöse Gründe, sondern war auch durch den Ausgang des Machtkampfs zwischen den Brüdern Karl der Große und Karlmann bedingt. Nach dem Tode Karlmanns (771) und der Eroberung des Langobardenreiches durch Karl (774) hat Witiza-Benedikt die Mönchwerdung einer Fortsetzung seiner weltlichen Karriere vorgezogen. Die von ihm in Aniane errichtete Klosteranlage besaß für Klosterbauten an anderen Orten Vorbildcharakter. Das Kloster Saint-Laurent am Orbiel wurde nach der berühmten Schlacht von 793 von den Sarazenen zerstört. Abt Anianus erhielt daraufhin von Karl dem Großen die villa Caunes. Dies war die Geburtsstunde des gleichnamigen Großklosters. Gründer des Klosters Saint-Savin im Poitou war im dritten Viertel des 8. Jahrhunderts vermutlich Baddilo, ein herausragender Kapellan König Pippins; mit dem praecentor Hucbertus kann im frühen 9. Jahrhundert eine weitere Person aus dem Umkreis des karolingischen Herrschers als Abt wahrscheinlich gemacht werden. Die Ergebnisse der Quellen- und Überlieferungskritik lassen Witiza-Benedikt stärker als bisher wahrgenommen auch als politisch denkende und handelnde Persönlichkeit der karolingischen Aristokratie hervortreten und erweisen Aniane für die Zeit um 800 als bedeutendes Überlieferungszentrum. Die Dissertation gelangt hier mit dem Stand des Jahres 1999 zur Veröffentlichung. Der Text ist mit Lesezeichen versehen, deren Verwendung empfohlen wird. Volltextsuche ist möglich.

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